Interview: Employer Branding in Corona-Zeiten

Wie hat sich die Sichtweise von Arbeitnehmer:innen auf die Arbeitswelt 2020 verändert? Und wie sollten Arbeitgeber:innen in ihrem Employer Branding darauf reagieren? Bei der Monster Insights Online Konferenz 2021 beantwortet Zukunftsforscher Oliver Leisse diese Fragen in einer Keynote. Im Interview hat er mit uns schon mal aus dem Nähkästchen geplaudert.

Das Interview führte Sonja Dietz

Unter Employer Branding sind alle Maßnahmen zu verstehen, die ein Unternehmen ergreifen kann, um sich gegenüber den eigenen Mitarbeitern und Bewerbern als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Bislang drehte sich alles um Faktoren wie eine perfekte Unternehmenskultur, ein gutes Betriebsklima oder ansprechende Gehälter und noch vieles mehr. Haben sich diese Werte in der Krise verschoben und würden Sie Unternehmen raten, ihre bisherige Employer-Branding-Strategie auf den Prüfstand zu stellen?
Sie sollten nicht, sie müssen die Employer Branding Strategie prüfen. Weil die Welt sich geändert hat. Ich versuche es mal mit einem Bild: Die Arbeitnehmer befanden sich in der Vor-Corona Zeit in einem sich schnell drehenden Hamsterrad. Die Tage waren klar strukturiert, man war in der Regel gehetzt und das Salär, na ja, war ok. Dann kam die Pandemie. Lockdown, Geschäfte geschlossen, Homeoffice, Kurzarbeit – ein harter Stopp für den Hamster, der aus dem Rad geworfen wurde.

Wie geht die Geschichte für den Hamster weiter?
Der rieb sich erstmal die Augen und wusste erstmal gar nicht, wie es weiter geht. In einem ersten Reflex im März letzten Jahres kaufte er erst einmal Toilettenpapier, Nudeln und Mehl, die Hamsterkäufe halt. Das war aber nur der Beginn eines großen Umdenkens. Das gestoppte Hamsterrad ist bis heute für viele Arbeitnehmer  nicht wieder auf Touren gekommen. Weitere Lockdowns, es zieht sich hin. Unsicherheit war die Folge und die Frage: Wie geht es weiter? Was will ich eigentlich? Was erwarte ich von meinem Leben und meiner Arbeit? Wofür arbeite ich eigentlich?

Haben diese Gedanken  dazu geführt, dass sich die Erwartungen an einen Arbeitgeber verschoben haben? Was ein Unternehmen früher attraktiv gemacht hat, ist wohlmöglich heute vielleicht gar nicht mehr so wichtig, oder?
Genau! Sehr fundamental geht es jetzt um den Sinn der Arbeit und des Arbeitens. In der Coronapandemie ist deutlich geworden, wie wichtig Solidarität und das gemeinsame Arbeiten an der Erreichung des Ziels ist. Und auf der anderen Seite, wie schädlich reine Profitorientierung ist, das wurde bei dem Skandal um Maskenkauf-Provisionen in der Politik sehr deutlich. An diesen Werten werden Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern im Employer Branding nun stärker gemessen.


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Nicht nur Sinnstiftung und Solidarität sind für Arbeitnehmer im letzten Jahr als wesentliche Attraktivitätsfaktoren stärker in den Vordergrund gerückt. Viele denken inzwischen auch anders über das Thema Führung, oder?
Genau, das ist der zweite Werteshift, der für die neue Employer-Branding-Strategie eines Arbeitgebers relevant ist. Durch die Krise sind Unternehmen von der Führung durch Kontrolle abgewichen und haben den Mitarbeitern bei der selbstbestimmteren Arbeit im Homeoffice mehr Vertrauen entgegengebracht – mit hervorragenden Ergebnissen. Vertrauen in die Mitarbeiter ist daher ein wichtiger, neuer Pfeiler der Employer Branding Strategie.

Fassen wir also zusammen: Arbeitnehmer legen seit der Pandemie einen gesteigerten Wert auf Attraktivitätsfaktoren wie Solidarität, Purpose und eine vertrauensvolle Führung auf Augenhöhe. Das gilt natürlich auch für die, die gerade auf der Suche nach einem neuen Job sind.  Welche Auswirkungen hat es auf die Arbeitgebermarke, wenn Unternehmen jetzt immer noch die gleichen Botschaften an Bewerber nach außen tragen wie vor der Pandemie?
Ganz einfach: Die Empore Brand wird zur Markenruine. Schlimmer noch, sie wird uninteressant und somit unsichtbar. Neue Botschaften müssen her, die auf neuen Ansätzen beruhen. Alle alten Systeme müssen auf den Prüfstand.

Lieber Herr Leisse, wir danken Ihnen für die spannenden Insights. Wagen wir also alle den Neubeginn. Es dürfte spannend werden.

 

Oliver Leisse…
… war lange Jahre Strategie-Berater bei internationalen Werbeagenturen wie DDB, TBWA, BBDO und Springer & Jacoby. 1997 gründete er mit der EARSandEYES GmbH, ein Institut für Online Markt- und Trendforschung. Dort baute er in Kapstadt die Trendforschungsdivision auf. 2008 gründete er SEE MORE, Future Research and Development in Hamburg. Das Institut erforscht aktuelle Consumer Insights auf Basis qualitativer ethnografischer Forschung in über 50 Metropolen der Welt. Hier greift das Institut auf 100 Mitarbeiter zu, die vor Ort die Wünsche der Konsumenten erforschen, Trends erkennen und interpretieren. Mit seinem Team entwickelt er neue Angebote, Marken und Zukunftsstrategien und berät Kunden wie die Deutsche Bank, TUI, Henkel und Schwarzkopf, Microsoft, die Deutsche Post, Google, Freenet, REWE, Burda, AON, Goldwell und viele mehr.