Wie rekrutieren wir in 30 Jahren? Das haben wir Professor Tim Weitzel von der Universität Bamberg gefragt. In einem Videointerview lieferte er uns spannende Einsichten.
Text und Video von Sonja Dietz
Professor Weitzel muss es wissen, denn er sitzt am Puls der Forschung: Seit Jahren untersucht er mit seinem Team die Trendthemen in der Personalbeschaffung. In der jährlichen Studie Recruiting Trends, die in Kooperation mit dem Karriereportal Monster erscheint, sind diese anschaulich dargelegt.
Recruiting 2046: Die Bots kommen…
Im Moment wird besonders heiß diskutiert, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die Rekrutierung haben wird. „Unter dem Stichwort Robot Recruiting wurden in den letzten Jahren zunehmend IT-gestützte Verfahren zur Verbesserung der Treffgenauigkeit innerhalb der Bewerberauswahl besprochen“, heißt es in der Studie. „Algorithmen zur Messung der Passgenauigkeit zielen in der Phase der Ansprache während des Rekrutierungsprozesses auf einen Abgleich von Fähigkeiten des Stellensuchenden mit den Anforderungen des Unternehmens ab. Dabei sind zwei Einsatzszenarien möglich:
In Szenario A stellen Stellensuchende und Karriereinteressierte Fähigkeiten wie Berufserfahrung, Sprachkenntnisse oder IT-Kenntnisse einem Algorithmus zur Verfügung – über eine Handy-App etwa. Stimmen die angegebenen Fähigkeiten mit den Jobanforderungen des Unternehmens überein, erhalten Kandidaten passende Stellenangebote von Unternehmen, die bei dem App-Anbieter registriert sind.
In Szenario B werden Bewerberinformationen durch einen Algorithmus mit den Jobanforderungen verglichen. Hier sind es Unternehmen, die ihre Daten und Anforderungen zugänglich machen. Erfüllen die Fähigkeiten des Stellensuchenden die Jobanforderungen, schlägt das System dem Unternehmen geeignete Kandidaten für eine bestimmte Stellenausschreibung vor. Die Daten fähiger Kandidaten kommen meist aus einer programmeigenen Lebesnlaufdatenbank oder dem WWW. So gibt es spezielle Talentsuchmaschinen, die das Web datenschutzverträglich nach geeigneten Bewerbern abgrasen. Gesucht wird wie bei der Suchmaschine Google nur in öffentlich verfügbaren Daten, allerdings unter den Parametern der Rekrutierung. Jeder Treffer ist ein Match, weshalb die entsprechende Technik auch den Beinamen Matching-Technologie trägt.
Recruiting 2046: Matching wird dominieren. Matching – was bitte?
Generell geht die Hälfte der befragten Unternehmen davon aus, dass derartige Matching-Algorithmen fähig sind, qualifizierte Kandidaten vorzuschlagen. Übrigens funktioniert das auch über Social Media mit den so genannten Social Job Ads – das sind Stellenanzeigen, die auf Facebook ausgespielt werden und eine zielgerichtete Ansprache der Nutzer ermöglichen: Die Profildaten der Facebook-User werden mit den Angaben in der geschalteten Stellenanzeige abgeglichen und miteinander “gematcht.
Allerdings hat Professor Tim Weitzel mit seinem Team herausgefunden, dass die aktuelle Nutzung der Tools ihren Möglichkeiten noch hinterher hinkt. Lediglich 2,4 Prozent der Top 1.000 Unternehmen greifen aktiv auf diese entsprechenden Angebote zurück, heißt es in der Studie. Und 10,7 Prozent der Unternehmen sind sich den Möglichkeiten der modernen Rekrutierung nicht einmal bewusst.
Auf Seiten der Kandidaten konstatieren Weitzel et al: „Trotz des geringen Angebotes seitens der Unternehmen gibt etwa ein Fünftel der Interessierten an, mindestens einmal einen Matching-Algorithmus genutzt zu haben, um sich interessante offen Stellen vorschlagen zu lassen.“
Das nachweisliche Interesse der Kandidaten an den Techniken dürfte dazu führen, dass die Tools zukünftig immer häufiger zum Einsatz kommen – davon ist Weitzel überzeugt. Weitere Gründe und Annahmen legt er im Videointerview ausführlich dar. Gestützt werden seine Erläeuterungen von den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus den Recruting Trends 2016.
So denken auch die Unternehmen mit Blick auf die Zukunft, das Matching-Algorithmen …
» … die Rekrutierung beschleunigen (56,3 Prozent).
» … die Effektivität verbessern (50,0 Prozent).
» … eine diskriminierungsfreie Rekrutierung ermöglichen (49,3 Prozent).
» … die Passgenauigkeit verbessern (47,3 Prozent).
» … die Rekrutierung vereinfachen (46,6 Prozent).