Die Zukunft der Arbeitswelt: Auf dem Weg ins Jahr 2030

Der Kommissionsbericht „Die Zukunft der Arbeitswelt: Auf dem Weg ins Jahr 2030“ der Robert-Bosch-Stiftung gibt  Einblicke, wie sich Arbeit in den nächsten 15 Jahren verändern wird. Erste Vorboten zeichnen sich bereits ab. Schon jetzt suchen Kandidaten in bestimmten Bereichen ihre Chefs aus, nicht mehr umgekehrt. Umdenken ist also angesagt. Nicht nur in diesem Punkt.

Von Sonja Dietz

Bis hierhin verlief das Vorstellungsgespräch mehr als vielversprechend. Persönlichkeit, Skills und Ausbildung des Kandidaten passen zum Unternehmen.  Ein Glücksgriff. Jetzt noch der Schlussteil, dann ist alles in trockenen Tüchern: „Haben Sie noch Fragen zum Unternehmen?“  Das 25-jährige Gegenüber nickt kaum merklich und wischt auf seinem Tablet-PC herum. Die Liste, die Sekunden später aufploppt, sorgt auf der anderen Seite für Furchen auf der hohen Stirn: eine detaillierte Übersicht über die bislang geführten Bewerbungsgespräche. Bewertungsskala inklusive.

Wie sieht’s mit dem Sabbatical aus?

Und schon geht’s los: Gibt es Home-Office, möglicherweise  Mobile-Office-Lösungen? Wie sieht’s aus mit mobile Devices: Bekommen Mitarbeiter standardmäßig Smartphone, Tablet und Laptop? Wie ist’s um die Work-Life-Balance bestellt? Und um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Weiterbildung? Sabbatical? Nicht alle der abgefragten Details ernten auf der virtuellen Liste ein Häkchen. Der 25-jährige Träger einer schwarzen Ray Ban blickt schließlich auf, nickt kurz: „Sie haben gute Chancen, dass ich bei Ihnen arbeite. Ich melde mich bei Ihnen.“

Soweit, so wahr. Solche Szenarien spielen auf dem Arbeitsmarkt bereits ab. Tendenz steigend. Bald werden es die Arbeitgeber sein, die sich an den Ansprüchen der Kandidaten messen lassen müssen. Das Stichwort „Arbeitgeberattraktivität“ wird immer wichtiger. Nur einer von zahlreichen Aspekten, den der Kommissionsbericht der Robert-Bosch-Stiftung „Die Zukunft der Arbeitswelt: Auf dem Weg ins Jahr 2030“ beleuchtet.

Bevölkerungsschwund verändert die Nachfrage

Ursache ist der vielbeschworene Demographische Wandel. Deutschland sieht sich in den kommenden Jahren noch stärker als andere OECD-Länder einer massiven Alterung der Bevölkerung ausgesetzt, die parallel dazu mit einem Bevölkerungsrückgang einhergeht. Die Kommission geht von einem  Bevölkerungs-Schwund von rund 14 Millionen Menschen innerhalb der nächsten 15 Jahre aus. Hinzu kommt, dass sich die Zahl jüngerer Menschen unter 20 Jahren bis in den kommenden 15 Jahren um etwa 2,5 Millionen verringert. Parallel nimmt die Zahl der über 65-Jährigen um rund fünf Millionen zu. Die junge Generation  macht sich auf dem Arbeitsmarkt also zunehmend rar.

Kurzum: Wer als Arbeitgeber nicht mit einem attraktiven Gesamtpackage aufwarten kann, hat seine Chance vertan. Aber nicht nur die Wirtschaft muss sich auf Veränderungen einstellen. Auch Politik und Gesellschaft stehen im Reformzwang. Was tun? Die Kommission aus hochrangigen Wissenschaftlern gibt hier klare Handlungsempfehlungen.  Die gute Nachricht: Trotz schlechter Ausgangslage gibt es vielversprechende Lösungsansätze. Die schlechte: Kommt nicht mehr Zug in die Sache, droht der Kollaps. Es herrscht Handlungsbedarf. Jetzt.

Den Nachwuchs gezielt fördern

Aber der Reihe nach. Die Rechnung ist einfach: Wenn den Unternehmen künftig der Nachwuchs auszugehen droht, müssen die wenigen, die künftig zur Verfügung stehen, exzellent ausgebildet sein. Die Kommission empfiehlt erste Schritte dafür schon im Kleinkindalter einzuleiten. „Es sollte bundesweit eine erste verpflichtende Sprachstandsfeststellung für Dreijährige eingeführt werden. Eltern von Kindern mit Sprachauffälligkeiten werden verpflichtet, ihre Kinder an Sprachförderangeboten teilnehmen zu lassen.“ Logisch: In einer Gesellschaft, die zunehmend auf hochentwickelte Kommunikationstechnologie setzt, ist nur erfolgreich, wer sprachlich sattelfest ist.

Ein besseres und ausgewogeneres Netz an Bildungsangeboten und der verstärkte Einsatz virtueller Weiterbildungsmodule stehen außerdem auf dem Wunschzettel der Wissenschaftler, um regionale und soziale Unterschiede auszugleichen. Auch der Übergang zwischen Schule und Beruf  sei reformbedürftig und eine engere Verzahnung mit der Wirtschaft wünschenswert. „Duale Ausbildung“ lautet das Zauberwort für eine reibungslose Integration in die Arbeitswelt.

50 Jahre Lebensarbeitszeit werden zur Normalität

Und dann? „Junge Menschen sollten sich darauf gefasst machen, 50 Jahre oder mehr zu arbeiten“, sagt Professor  Jutta Rump, Kommissionsmitglied und Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability an der Hochschule Ludwigshafen.  Denn für sich genommen sei die Rente mit 67 bei weitem nicht hinreichend, um dem demographischen Wandel die Stirn zu bieten. Eine der  wirksamsten Maßnahmen sei die Erhöhung der Lebensarbeitszeit. Das geht aber nur, wenn Unternehmen altersgerechte Bedingungen bieten: Arbeitskräfte ausquetschten wie eine Zitrone und dann wieder auf den Arbeitsmarkt werfen – das geht nicht mehr lange gut.

„Das hält keiner 50 Jahre lang durch“, sagt Rump. Einer der Gründe, warum die Work-Life-Balance, also die Ausgewogenheit von Beruf und Privatleben bei der jungen Generation bereits jetzt immer mehr Gewicht in der Verhandlungsmasse von Bewerbungsgesprächen gewinnt. Denn die Ausweitung des Renteneintrittsalters gelingt nur dann, wenn alle Mitarbeiter gesund und motiviert sind. Vom ersten bis zum letzten Tag.

Altersgerechte Arbeitsplätze und Arbeitszeiten

Hier sieht die Kommission Unternehmen in der Bringschuld. Sie müssen von Anfang an für ihre Leute sorgen. Durch gezielte Gesundheitsangebote, gesundheitsgerechte Arbeitsplätze und ausreichend Erholungsmöglichkeiten. Aber auch  konstante Weiterbildungsangebote sind unumgänglich, um mit dem technologischen Wandel Schritt halten zu können. Natürlich ist sich Rump darüber bewusst, dass nicht jeder jenseits der 67 noch arbeiten kann. „Doch es gibt genügend Menschen, die noch wollen und können. Die sollte man auch lassen!“

Darüber hinaus empfiehlt die Robert-Bosch-Stiftung die aktuell recht starren Teilzeitbeschäftigungsmodelle zu überdenken. Durch eine Erhöhung der Arbeitszeit könnte den bevorstehende Engpass in punkto Arbeitskraft deutlich abfedern. Die Idee: Warum nicht statt der klassischen 20-Stunden-Variante auch 25-, 30- oder 35 Stunden-Modelle anbieten? Das wiederum steht und fällt  mit dem der Betreuungsinfrastruktur für Kleinkinder und dem noch ausbaufähigen Angebot an Ganztagsschulen, damit Teilzeitler ihre Arbeitszeiten nicht mehr weiterhin den Öffnungszeiten der Kita oder Schule anpassen müssen.

Minderheiten nicht weiter ausgrenzen

Wäre diese Hürde erstmal genommen, wäre auch die Scheu mancher Arbeitgeber vor Frauen in der Familienphase obsolet. Denn letzte sind es nun einmal, die den Großteil der Teilzeit-Arbeitskräfte ausmachen. Auch diesem Kapitel  widmet die Kommission einen Abschnitt: eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Minderheiten wie Frauen, Älteren, Personen mit Migrationshintergrund und qualifizierten Zuwanderern sei mehr als wünschenswert, heißt es in dem Papier. Na dann: „Es gibt viel zu tun, packen wir’s an.“