Interview: Was bedeutete die Corona-Krise für HR?

Ob wir Corona jemals als komplett überstanden wahrnehmen können, ist fraglich. 2020 fragten wir uns jedoch noch: Wie wird es nach der Krise weitergehen? Welche Maßnahmen muss HR ergreifen, um den „Laden schnellstmöglich wieder zum Laufen zu bringen“? Dazu haben wir damals mit Professor Tim Weitzel, dem Autor der Monster-Studie Recruiting Trends 2020, gesprochen.

Wie wird sich das Employer Branding der Unternehmen nach überstandener Krise verändern: Ist von einem grundsätzlichen Wertewandel bei den Kandidaten auszugehen?

Die Corona-Krise ist ein Reality-Check. Kandidaten wie Mitarbeiter können jeden Tag sehen, wie mit Mitarbeitern umgegangen wird und was hinter beworbenen Unternehmens-Tugenden von offener Kommunikation bis Wertschätzungskultur steckt. Die Recruiting Trends zeigen seit Jahren, dass es nicht reicht, das Employer-Branding-Versprechen abzugeben, ein toller, moderner Arbeitgeber zu sein. Die Versprechen müssen auch eingehalten werden. Mit ihrem Verhalten in der Krise kreieren Unternehmen derzeit einen Maßstab für ihre zukünftige Authentizität. Damit wird jetzt, in der Krise, mit festgelegt, wie das Employer Branding nach der Krise werden kann.

Mitarbeiter erleben, dass flexibles Arbeiten von heute auf morgen möglich ist. Wie wird insbesondere diese Erfahrung die Ansprüche zukünftiger Kandidaten verändern?

Die aktuelle Flexibilität weckt sicherlich an einigen Stellen Begehrlichkeiten, auch nach der Krise so weiterzumachen. Sie kann aber auch zu Verbitterung führen, wenn sich Mitarbeiter fragen, warum sie seit Jahren erfolglos versuchen, einen Tag pro Woche im Home-Office arbeiten zu dürfen. Eine wichtige Frage ist aber auch, was wir bislang tatsächlich lernen konnten und welche Erfahrungen auch für eine normale Zeit ohne totalen wirtschaftlichen Stillstand taugen. Und es ist wichtig, Flexibilität nicht auf Home-Office zu reduzieren. Die Krise hat gezeigt, wie wichtig gute Prozesse und Informationssysteme für Flexibilität und Handlungsfähigkeit sind, und dass auch interne Abläufe, organisationale Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse an vielen Stellen überdacht werden können.

Im September 2008 stürzte die Pleite der US-Bank Lehman Brothers die Finanzwelt in eine globale Krise. Das Szenario ist sicher nicht 1:1 vergleichbar mit der aktuellen Situation. Können Unternehmen aber dennoch aus den Erfahrungen von damals profitieren?

Auch in der Finanz- und Wirtschaftskrise blieb es schwierig, wichtige Vakanzen zu besetzen. Die damals diskutierte Idee, antizyklisch zu rekrutieren, also in
der Krise sonst nicht verfügbare Talente einzustellen, erwies sich als unrealistisch. Nach der Krise wurde die Stellenbesetzung dafür umso schwieriger. Eine wichtige Lektion aus der Finanzkrise war, wie leicht man durch hektische Entlassungen – gepaart mit einer ungeschickten internen Kommunikation – seine Arbeitgebermarke für viele Jahre verbrennen kann.

Welche Unternehmen werden durch die Krise profitieren?

Nahezu alle Unternehmen leiden wirtschaftlich, und zwar erheblich. Und auch volkswirtschaftlich sind wir in vielen Bereichen wie etwa Staatsschulden seit mindestens dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr so schwer getroffen worden. An der Krise wird daher lange Zeit niemand profitieren. Es gibt allerdings Hoffnung mit Blick auf Katastrophentheorien, nach denen Wirtschaftsregionen nach einigen Jahren des Neuaufbaus mit neuem Ehrgeiz, neuen Prozessen, Zielen und Technologien quasi eine neue, bessere Welt auf dem Stand des aktuellen Könnens aufgebaut haben. Damit könnten im Vergleich die Unternehmen profitieren, die besser aus der aktuellen Situation lernen und dabei eine stärkere Kultur auf- und ausgebaut haben.

Was müssen Unternehmen tun, um nach überstandener Krise gut aufgestellt zu sein?

Um nach der Krise wieder gut aufzustehen, ist es wichtig, in der Krise nach innen wertekonsistent zu handeln und offen zu kommunizieren. Corona ist wie Kneipe: Manche zeigen ihr wahres Gesicht erst im Zusammenbruch. Und es ist wichtig, auch in der Krise für die Zeit nach der Krise zu lernen und dies dann auch umzusetzen – von Werteorientierung über Vertrauen und Kommunikationskultur bis hin zu besseren Prozessen.

Zum Abschluss ein Blick in die Glaskugel: Wird sich die Pandemie dauerhaft auf die Arbeitswelt in Deutschland mit Blick auf die technische Ausstattung und die Beschäftigungsformen auswirken?

Wir beobachten erfreut, dass das beliebte Argument „das geht einfach nicht“ an Macht verliert. Das ist gut. Die Wirtschaftsinformatik propagiert seit langem, dass die Hürde für Wandel zum Besseren in der Arbeitswelt nicht mehr in Technik, sondern Organisation, Regulation und Akzeptanz liegt. Ob die Krise für die letzten Punkte hilfreich sein kann, ist noch unklar. Bedenkt man, dass IT-Fachkräfte zunehmend denken, eine gerne versprochene „New Work“-Realität mit Flexibilität und Selbstbestimmung nur durch den Sprung zum Freelancer erreichen zu können – und sie auch hier an erheblichen formalen Hürden scheitern, gibt es nur Grund für vorsichtigen Optimismus zurück in der Normalwelt.

Gleichzeitig öffnet die Corona-Welt aber auch den Blick für wichtige Spannungsfelder zum Thema Zukunft der Arbeit. Bei aller aktuellen Begeisterung über Home-Office ist es zum Beispiel interessant, sich an die bis dahin ebenso etablierte Annahme zu erinnern, dass nur in kontinuierlichem Austausch im Team und mit örtlicher Nähe kreative Prozesse und Arbeitszufriedenheit möglich sind. In der Glaskugel steht vor wie nach Corona also das Lernen und Verstehen zu Randbedingungen der Arbeit der Zukunft noch vor dem systematischen Gestalten. Ich hoffe indes, dass beides nun etwas näher gerückt ist.

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Professor Tim Weitzel…
…ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen, an der Otto-Friedrich Universität Bamberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind E-HRM, IT-Management, Outsourcing und Business IT Alignment. Professor Weitzel ist Autor von zehn Fachbüchern sowie einer Vielzahl international zitierter wissenschaftlicher Fachartikel.

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