Gastbeitrag: Corona und die Digitale Transformation

Corona hat viele Unternehmen in die digital vernetzte Infrastruktur getrieben. Firmen mussten lernen, wie sich Geschwindigkeit und Nähe im digitalen Paralleluniversum anfühlen und welche Inhalte darin zählen. Eines steht fest: Software und Hardware reichen nicht. Es kommt darauf an, dass die Menschen damit das Richtige machen!

Von  Klemens Skibicki

Corona macht erlebbar, dass vieles digital geht

Die Corona-Pandemie störte unserer Wirtschaftsstrukturen erheblich. Kaum ein anderes Thema schaffte es auch nur annähernd, so viel Aufmerksamkeit zu erzeugen. Eine solche kollektive Erfahrung wurde in dieser Breite seit Jahrzehnten nicht gemacht.

Der digitale Wandel erfasst zwar genauso alles und jeden. Aber nicht als schneller Schock, sondern als langsamer Prozess. Die Veränderungsenergie der Corona-Erfahrung sollte aber für das Entfachen der Digitalen Transformation genutzt werden.

Digitalisierung über Nacht

In Firmen, in denen die geringe Verbreitung von digitalen Möglichkeiten Tradition war, wurde der Corona-Turbo eingelegt. Tools wurden installiert und rechtliche Hürden überbrückt. Es geht alles, wenn man muss! Home-Office und digitale Konferenzen sind auf einmal der Normalfall. Nicht alles wird digital sein, aber eben auch nicht mehr alles nicht-digital. Im Einzelfall wird abgewogen, wo man sich live treffen sollte und wo die digitale Lösung zum Ersatz wird.

Nicht bei Tools stehen bleiben!

Fatal wäre allerdings, wenn Unternehmen meinen, mit der Investition in ein wenig Hard- und Software wären sie mit der digitalen Transformation nun endlich durch. Im Gegenteil, jetzt wo die Infrastruktur für digitale Vernetzung ausgebaut hat, muss man richtig im digital vernetzten Zeitalter ankommen.

US-Anbieter machten vor, wie es geht und wie weit Deutschland hinterherhinkte. Während etwa die Wertschöpfungsketten der deutschen Industrieunternehmen ins Stottern gerieten, gingen die Aktienwerte der Techriesen aus USA durch die Decke. Selbst die Börsenbewertung des Autobauers Tesla übertraf die von Volkswagen, BWM und Daimler zusammen.

Bei dieser Markteinschätzung der Aktionäre wurde deutlich, dass es im Digitalzeitalter weniger um Produktion geht, sondern um die zugetraute Zukunftsfähigkeit. Immer entscheidender ist zum Beispiel, wie man Kunden versteht und „abholt“, Mitarbeiter zusammenbringt und Produkte und Services gestaltet.

Mantra der absoluten Kundenorientierung

Amazon hatte sich durch sein Mantra der absoluten Kundenorientierung die Position erarbeitet, den Standard im Bereich Service zu diktieren. Google ist sowieso schon der Ansprechpartner, den man bei so ziemlich allem fragt. Tesla schaffte es auf 25 Milliarden Umsatz pro Jahr, ohne dafür einen Cent für klassische Werbung auszugeben.

Ein anderes Beispiel: Neun von zehn Deutsche mit Internetzugang nutzen mittlerweile den zu Facebook gehörenden Messenger-Dienst Whatsapp. Die SMS-Milliarden fehlen dadurch bei Telekom und Co. Überall schieben sich Digitale Champions zwischen die Kunden und andere Anbieter. Dies gelingt, indem sie aufgrund der Daten, die wir überall hinterlassen, Marktkenntnis generieren und zu passgenauen Lösungen umsetzten. Der Rest der Wertschöpfungskette kann sehen, wie viel Marge ihm noch gelassen wird.

Nur wer die Dynamik und Nähe der digitalen Welt spürt, kann dorthin führen!

Was macht den Unterschied? Zu lange standen in Deutschland die Bedenkenträger mit Fragen in der ersten Reihe, wie man die Erfolgreichen regulatorisch einschränken könnte, während die eigene Bevölkerung die „bösen“ Datenkraken ganz freiwillig nutzt.

Hoffentlich hilft hier der Corona-Schock in den Köpfen! Technologie ist nur ein Befähiger und stellt Nähe her, beschleunigt und vereinfacht Prozesse, aber am Ende braucht es Logik und Empathie von Menschen, um Veränderungen zu verstehen, zu fühlen und durchzusetzen.

Social Media sollte 2020 so normal wie das Telefon sein

Gefragt sind jetzt diejenigen mit dem Anspruch, im digital vernetzten Zeitalter zu führen. Wer sich beispielsweise 2020 immer noch weigert, über soziale Medien als Normalfall der Kommunikation der Digital Natives, Nähe zu Mitarbeitern und Kunden herzustellen, sollte dies überdenken. Das Telefon war auch mal neu, aber wer 15 Jahre nach dem großflächigen Start immer noch nicht kapiert hatte, damit umzugehen, behinderte seine Firma genauso wie heute Social-Media-Verweigerer.

Es geht bei der Digitalisierung nicht um Kanäle oder Formate, sondern um den grundsätzlichen Paradigmenwechsel – der Art und Weise, wie Informationen erstellt, gefiltert, ausgetauscht und verbreitet werden. Dies betrifft alle Branchen und Stufen der Wertschöpfungskette. Wer das nicht versteht, frage sich wiederum für wen und welche Unternehmen das Telefon nötig ist? Genau, für alle!

Eine ähnliche Entwicklung haben die sozialen Medien genommen. Sie gehören zum festen Kommunikationsrepertoire. Also: Wie hört man im Social Web den passenden Menschen zu? Wie erarbeitet man sich die Position, auf sozialen Kanälen ein Ansprechpartner zu werden? Antworten auf diese Fragen, sind in HR heute genauso Basisfähigkeiten wie ein Interview  oder ein Mitarbeitergespräch führen oder ein Geschäftsmeeting zu leiten. Erst wenn man zuhören und sprechen gelernt hat, kann man ein Team zur Konzeption von Geschäftsmodellen, Prozessen und Kompetenzen führen.

Fazit: Menschen sind der wichtigste Faktor im digital vernetzten Zeitalter. Unternehmen müssen sie aber auch in die Lage versetzen, sich digital entfalten zu können!


Zur Person

Klemens Skibicki (Jahrgang 1972) war zwischen 2004 und 2019 Professor für Marketing und Marktforschung an der Cologne Business School in Köln mit dem Forschungsschwerpunkt der Digitalen Transformation. Ausgebildet wurde er als Diplom-Kaufmann und Diplom-Volkswirt sowie einer Promotion am Seminar für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität zu Köln. Seine breit gefächerte, interdisziplinäre Erfahrung nutzt er mit seiner PROFSKI Unternehmensberatung bei namhaften Mittelständlern und Großunternehmen, um sie auf Führungsebene durch den Digitalen Strukturwandel zu begleiten.