Es tut sich was im Recruiting! Selten war die Innovationsdichte und –geschwindigkeit in der Personalbeschaffung höher. Und trotz aller Tendenzen zur Digitalisierung rückt parallel der ein Faktor wieder stärker in den Fokus: Der Mensch. Ein Pardoxon? Nein, eigentlich nur konsequent, sagt Expertin Dr. Katrin Luzar, Senior Manager PR & Content bei Monster, im Interview.
Das Interview führte Sonja Dietz
Frau Luzar – wenn man die technologische Entwicklung der vergangenen Jahre in Worte fassen möchte, fällt einem in der Personalbeschaffung auf Anhieb der Dreiklang „schneller, höher, weiter“ ein. Nie verlangte der Markt so schnell nach nach neuen Produkten, Lösungen und Methoden, nie war in den letzten Jahren der Bedarf an Fachkräften höher und nie dachten Unternehmen so weit in die Zukunft wie heutzutage. Quo vadis Recruiting?
Wohin es mit der Rekrutierung geht, ist eigentlich eindeutig zu beantworten. Es menschelt wieder mehr im Recruiting. Trotz aller Produktinnovationen, die die Personalbeschaffung auf den ersten Blick zu einem rein technischen Unterfangen zu machen scheinen, ist genau das Gegenteil der Fall.
Ein interessanter Punkt. Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Gerne! Wer heute Talente und Fachkräfte rekrutiert, muss das Recruiting anders angehen als noch vor ein paar Jahren. Heutzutage müssen Personaler dorthin gehen, wo sich Talente aufhalten, nicht mehr umgekehrt. Das gilt für die Direktansprache von Kandidaten in natura genauso wie für die Direktansprache im Netz. Im letzten Fall unterstützt die moderne Technik. Smarte Talentsuchmaschinen erledigen in Sekunden, wofür der Personaler mitunter Stunden bräuchte. Recruiter müssen vorab nur die richtigen Suchkriterien eintippen. Den Rest erledigt das Tool. Weltweit. Sekundenschnell. Branchenübergreifend. Und mit einer Ergebnistiefe, die man über Google nicht erhalten würde. Denn das Tool untersucht nicht nur einschlägige Seiten oder Netzwerke, sondern durchforstet auch Fachcommunities, die der Ottonormalverbraucher so nicht kennt.
Klingt bislang aber eher technisch und weniger nach dem von Ihnen postulierten Plus an Menschlichkeit. Ein Algorithmus, der nach Kandidaten sucht. Da menschelt doch nichts!
Im Endeffekt schon! Müsste der Personaler diese dezidierte Personensuche händisch im Netz erledigen, würde ihn das eine Menge Fleiß und Handarbeit kosten. Die Zeit, die er sich unter Zuhilfenahme der modernen Technik spart, kann er in die Größe investieren, auf die es im Recruiting ankommt: Die Ressource Mensch.
Soweit einleuchtend, aber solche Talentsuchen sind noch nicht für alle Branchen und Märkte relevant. Und der Rest der Recruiter guckt weiter in die Röhre?
Nein, es gibt inzwischen so viele technische Hilfestellungen für die Rekrutierung, die in so ziemlich jeder Angelegenheit unterstützen. Angefangen bei der Stellenanzeige, die inzwischen weit entfernt von der Bleiwüste ist, die sie einmal war. Stattdessen ist sie anschaulich designt, fast im Stil einer kleinen Homepage mit Reitern, Bildern, Videos. Dann gibt es Reichweitenprodukte wie Stellenanzeigen-Banner, Social Media Tools für das Social Recruiting, einfach zu integrierende Module für eine Karrierehomepage im Corporate Design. Selbstredend mobiltauglich. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Man muss sie nur nutzen.
Und daran hapert es Ihrer Meinung nach?
In Gesprächen mit Recruitern, auf Messen und Kundenevents hat sich dieser Eindruck immer mehr verfestigt, ja. HR Experten sehen sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, zu langsam bei der Personalgewinnung und –auswahl zu sein. Doch ich bezweifele, dass das Image vom rückständigen und verstaubten Personaler realistisch ist.
Woran machen Sie das fest?
Kritiker beklagen in erster Linie, dass die Candidate Experience allgemeinhin zu wünschen übrig lässt. Das sind sämtliche Erfahrungen eines Kandidaten, die dieser im Bewerbungsprozess mit einem Unternehmen sammelt. Aber ist die Candidat Experience überhaupt zu gewährleisten, wenn die Recruiter Experience dahinter nicht stimmt? Anders gesagt: Nur wenn der Recruiter auch über die Tools verfügt, die ihn in seiner Arbeit unterstützen, kann er diese auch wirklich gut machen. Aus dieser optimalen Rekrutierungserfahrung folgt eine optimale Kandidatenerfahrung.
Warum?
Wie ich es anfangs bereits angedeutet habe: Aus dem schlichten Grund, weil die Technik dem Recruiter viele Aufgaben abnimmt und diesem dann mehr Zeit bleibt, sich intensiv um eine optimale Kandidatenansprache und alle weiteren Aspekte, die zu einer optimalen Candidate Experience gehören, zu kümmern. Doch oftmals scheitert die Einbindung und Anwendung der neuen Technologien nicht an den Recruitern selbst, sondern an der Geschäftsführung, die die entsprechenden Investitionen scheut. Möglicherweise auch deshalb, weil man den Stellenwert, den HR in den kommenden Jahren in punkto Wettbewerbsfähigkeit erlangen wird, unterschätzt. Und in der Folge verwalten viele Personaler ihre Daten tatsächlich noch mit der guten alten Excel-Liste. Ein Teufelskreis.
Wenn Sie sich das Recruiting in zehn Jahren vorstellen. Wie sieht es aus? Die Stellenanzeige wird es dann wohl kaum mehr geben.
Doch. Ich gehe tatsächlich davon aus, dass es Stellenanzeigen auch dann noch geben wird, aber sicher in anderer Form als wir sie heute kennen. Aber irgendeine Basis, um die grundlegenden Informationen über eine vakante Stelle an den Bewerber zu bringen, braucht man auch dann noch. Wir beobachten ja bereits jetzt, dass Wearable IT wie etwa die Smart Watch immer mehr Konsumenten begeistert. Das wird auch Auswirkungen auf die Personalbeschaffung haben.
Stellenanzeigen auf der Smart Watch?
Das natürlich nicht, dafür ist das Display zu klein. Aber vielleicht ein Hinweis auf der Uhr auf vakante Stellen eines Unternehmens, die zum eigenen Profil passen, wenn man sich gerade in einem gewissen Umkreis bewegt. Aber natürlich auch nur dann, wenn man in seinem Profil vermerkt hat, dass man prinzipiell wechselwillig ist. Die Stellenanzeige selbst lässt sich dann via Handy abrufen. Vielleicht gibt es dann auch gar keine Handys mehr, sondern ein Armband, dass eine Art Display auf die nackte Haut des Unterarms projiziert. Auch hierzu gibt es bereits spannende Ansätze.
Klingt interessant. Was könnte noch kommen?
Es ist durchaus denkbar, dass Social Recruiting neue, beziehungsweise andere Wege einschlagen wird. Schon jetzt stellen Zukunftsforscher fest, dass die junge Generation nicht mehr bevorzugt über Facebook oder Twitter kommuniziert, weil zu öffentlich. Messenger wie What’sApp bieten hier eine gute Alternative. Die Möglichkeit zur antizyklischen Kommunikation besteht weiter, aber doch in einem wesentlich privateren Umfeld. Sicherlich wird das auch die Rekrutierung beeinflussen. Erste Personalmarketingansätze gibt es diesbezüglich schon. Der Rest wird sich weisen. Alles eine Frage der Zeit.(Bilder: Sonja Dietz)