Diversity in der Arbeitswelt: Wie ist der Status Quo, Herr Terkessidis?
Dr. Mark Terkessidis ist Psychologe und beschäftigt sich seit fast 30 Jahren mit den Themen Rassismus und Migration. Für eines unserer Online-Seminare konnten wir den Experten als Gastredner gewinnen. Die Resonanz war riesig. Im Interview geht Terkessidis auf die zentralen Punkte zum Thema Diversity in der Arbeitswelt ein.
Lieber Herr Dr. Terkessidis – danke, dass Sie sich die Zeit nehmen! Wie schätzen Sie die Lage ein: Wie sind Unternehmen aktuell in puncto Diversity aufgestellt?
Es geht sehr langsam voran in Deutschland. Es ist eine übliche Sichtweise in vielen Unternehmen, dass Diversity „nice to have“ ist. Viele Arbeitgebende betrachten Diversity Management nicht als etwas Grundsätzliches, sondern als etwas Zusätzliches. Während der Covid-Krise wurde das Thema beispielsweise oft heruntergefahren. Das ist falsch.
Welche Vorteile bietet eine gute Diversity und Inklusionsstrategie?
Es ist nicht ganz leicht, Diversity zu messen. Obwohl es oft behauptet wird, lässt sich wissenschaftlich kaum nachzuweisen, dass „gemischte“ Teams besser arbeiten als homogene. Aber es gibt belastbare Zahlen aus der Wirtschaft. Kürzlich wurde ein McKinsey-Report mit dem Titel „Diversity wins“ veröffentlicht. In diesem konnten die Autoren statistisch nachweisen: Unternehmen, die in Führungsteams auf Gender-Diversity, also Geschlechtervielfalt setzen, waren 20 Prozent profitabler. Wenn die Teams ethnisch divers waren, lag der Unterschied sogar bei 36 Prozent. Es sich lohnt sich also, in Diversity zu investieren.
Wie halten es andere Länder mit den Themen Vielfalt und Gerechtigkeit?
In den USA ist das Thema bereits in den 90er-Jahren aufgekommen, wir sind da also mindestens 20 Jahre hinterher. Schon damals gab es in den USA eine sehr starke Gesetzgebung gegen Diskriminierung. Das ist auch einer der Gründe, warum das Thema hierzulande mehr in den Fokus rückt: Es gibt jetzt auch in Deutschland ein ganzes Bündel von gesetzlichen Vorgaben zu Gleichstellung. Der zweite Punkt in den USA damals war der demographische Wandel. Und der ist jetzt auch in Deutschland dramatisch: Bei den Kindern unter 6 Jahren sind etwa diejenigen mit Migrationshintergrund in vielen Städten bereits in der Mehrheit. Etwa drei Viertel der Kinder, die demnächst in Frankfurt oder Stuttgart in die Schule gehen werden, haben mindestens einen Elternteil, der selbst noch in die BRD eingewandert ist.
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Das heißt, dass die Arbeitswelt der Zukunft auf jeden Fall bunter wird. Aber in den Köpfen vieler Entscheidungsträger ist das noch nicht so richtig angekommen, oder?
Das Problem ist, dass wir diese neue Normalität der Gesellschaft hauptsächlich unter dem Aspekt der Integration sehen. Integration wird meistens so verstanden, dass es „uns“ gibt als die Normalen und dann gibt es „euch“ als die anderen, die integriert werden müssen. Integration bedeutet immer: Hier ist der Standard und da ist die Abweichung und diese muss behandelt werden.
Wie geht es besser?
Es gilt, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, und sich die Frage zu stellen, ob das eigene Unternehmen fit genug für die Vielheit der Gesellschaft ist. Dafür muss es schon einen richtigen Plan geben, der aufhört zwischen „wir“ und „ihr“ zu trennen. Es geht darum, ein ganzheitliches Umfeld zu kreieren, in dem jede Person rundum wertgeschätzt wird. Wobei auch klar sein muss, dass es was anderes ist, ob es um Geschlecht, Migration, Behinderung oder sexuelle Orientierung geht – es gibt keine Abhakliste für alle Unterschiede. Das ist auch eine Frage der Sensibilität.
Wie könnte eine Diversity-Strategie für das Recruiting aussehen?
Es lässt sich zum Beispiel klar zeigen, dass ein türkischer Nachname dafür sorgt, dass sie signifikant weniger zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden. Bewerbungen könnten deswegen anonymisiert werden, aber das wird bislang nur selten gemacht. Aber dann kommt das Bewerbungsgespräch. Die Runde von Leuten, die Personalentscheidungen trifft, muss selbst divers besetzt sein, oder zumindest geschult sein, um nicht unbewusst nur nach Ähnlichkeiten zu suchen. Das erfordert Bemühungen, das kommt nicht von alleine.
Was muss außerdem in Augenschein genommen werden?
Ein wichtiger Bereich sind auch die Karriereoptionen in einem Unternehmen: Es muss nach der Einstellung auch nach oben gehen können. Aus der Genderdebatte kennen wir die „Glasdecke“: Je höher die Positionen, desto weniger Frauen sind zu finden. Leistung muss transparent und gerecht bewertet werden, sonst kündigen Leute zuerst psychisch und dann real.
Viele Unternehmen wissen allerdings noch nicht, wie es besser geht. Auf diese und weitere offene Fragen sollten Arbeitgebende schnell Antworten finden, oder?
Absolut. Vielheit, Gleichstellung, Chancengerechtigkeit, Barrierefreiheit – das sind bei den 18-24-Jährigen ganz entscheidende Werte. Sie achten sehr darauf, dass der Leistung in der Leistungsgesellschaft keine Barrieren im Wege stehen. Die jüngeren Leute sind da sehr sensibel.
Und dabei sprechen wir von der Arbeitnehmendengeneration, die jetzt auf den Arbeitsmarkt strömt. Aus unseren Studien wissen wir, dass die Generation Z schon bei der Jobsuche sehr genau hinschaut, wie Arbeitgebende in Sachen Diversity aufgestellt sind. Eine schlechte Diversity-Strategie wird immer mehr zum Ausschlusskriterium für Talente. Sie springen ab. Aber wie macht man den ersten Schritt? Wie ändert man in den Unternehmen das bestehende Mindset?
Ich würde mal herausarbeiten, in welchem Bereich die Veränderung am dringendsten vollzogen werden sollte und den priorisieren. Dann nimmt man sich den nächsten vor. In der Verwaltung wäre das zum Beispiel der Kundenkontakt. Da überlege ich mir, wie kann ich verhindern, dass im Kundenkontakt Diskriminierung stattfindet. Gleichzeitig muss ich mir überlegen, was denn auf Ämtern überhaupt als Diskriminierung empfunden wird, wo es auch wichtig ist, die Betroffenen zu fragen, und das nicht von oben zu bestimmen. Also Schritt eins wäre die Priorisierung und Schritt zwei das Training on the Job.
Lieber Herr Terkessidis – vielen Dank für das Gespräch!
Monster hilft Ihnen bei Ihrer Diversity-Strategie
Monster rückt das Thema Diversity & Inclusion (D&I) im eigenen Unternehmen stark in den Fokus. Neben der externen Zertifizierung durch die UHLALA Group hat Monster in diesem Jahr bereits weitere Initiativen und Maßnahmen ins Leben gerufen und ausgebaut, so zum Beispiel verschiedene Employee Resource Groups, einen Diversity-Ausschuss, interne Lernmodule zum Thema “Bewusste Inklusion” sowie Workshops für Kunden zum Thema Gendern. Diversity ist für uns keine Einbahnstraße. Es reicht nicht, sich intern als bunter Arbeitgeber aufzustellen, wir begleiten auch unsere Kunden auf dem Weg in eine fairere und gleichberechtigtere Gesellschaft.