Wiedereinstieg: Frauen entdecken ihre Rolle neu

Kind und Karriere unter einen Hut bringen, ohne dass die beruflichen Ziele oder die Familie darunter leiden. Gerade für weibliche Fach- und Führungskräfte und hochqualifizierte Frauen ist es nicht leicht, nach der Familiengründung die passende Rolle zu finden. Gut, dass es Ina Claßen und Karoline Iwersen gibt. Die Expertinnen von brands for talents erarbeiten mit talentierten Frauen individuelle Karrierekonzepte. Im Interview berichten die beiden „Rollenentdeckerinnen“ über ihre Erfahrungen.

Das Interview führte Sonja Dietz

Was bewegt Frauen heute am meisten in und nach der Familienphase?
Karoline Iwersen: Nach der Familiengründung verlangsamen oder kappen Frauen immer noch in weit höherer Anzahl ihren Karriereweg, während der der Männer unbeeindruckt weiterläuft. Frauen bewegt in der Phase besonders die Fürsorge ums Kind und der gesellschaftliche Druck, allem gerecht zu werden.

Welche Probleme bringt das mit sich?
Ina Claßen:
Nach dem Abschluss ihrer qualifizierten Ausbildung sind Frauen zunächst mit ihrem Einstieg in den Beruf und ihrer Karriere beschäftigt. Viele entwickeln konkrete Pläne für ihre berufliche Weiterentwicklung. Dem steht theoretisch auch eine Familiengründung nicht entgegen. Gerade hochqualifizierte Talente wollen aber nicht automatisch nach der Geburt eines Kindes auf die Weiterarbeit verzichten. Im Gegenteil. Sie möchten ihre Karriereambitionen weiter verfolgen und eine Familie haben. Hier treffen Wunsch und Wirklichkeit manchmal hart aufeinander.

Inwiefern erfahren sie von ihren Arbeitgebern Unterstützung?
Ina Claßen:
Sagen wir, der Stein kommt ins Rollen. Unternehmen haben erkannt, wie wichtig es ist, Rahmenbedingungen für ein Arbeiten mit Kind zu schaffen. Weniger auf der Tagesordnung steht jedoch eine Personalpolitik, die konkret auf die weibliche Führungskraft mit Kind ausgerichtet ist und ihr konkrete Möglichkeiten bietet, die Addition von Karriere plus Familie zu managen. Diese Lücke wollen wir schließen.

Inwiefern müssen nicht nur Arbeitgeber Weichen stellen, sondern auch die Frauen selbst? Bei vielen dürfte das schlechte Gewissen schwer wiegen, eine schlechte Mutter und Ehefrau zu sein, wenn sie parallel auch berufliche Ambitionen hegen. Oder hat sich dieses Mindset verändert?
Karoline Iwersen: Mütter mit schlechtem Gewissen begegnen uns nicht mehr. Sowohl eine Mutter, die Vollzeit arbeitet, als auch eine Mutter in Teilzeit ist gesellschaftlich akzeptiert, so dass sie nicht von ständigen schlechten Gewissen gequält wird. Die Belastung liegt in der Komplexität der Situation, in der sich die Mutter befindet. Und in den häufig fehlenden Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Welche sind die größten Hürden, die auf dem Weg zu einer optimalen Vereinbarkeit von Familie und Beruf lauern?
Karoline Iwersen: Der Begriff der Hürde ist mir eigentlich zu negativ besetzt. Der Weg eines einzelnen Paares, das Kinder bekommen hat, muss individuell betrachtet werden. Es gibt kein richtig, kein falsch. Es gibt immer nur ein individuelles Konzept, das hinter dem Paar und seinem Zeitmanagement in den unterschiedlichen Berufen und der Betrachtung der familiären Verpflichtungen stehen muss. Alle Komponenten müssen betrachtet werden und wie ein Puzzle zusammengesetzt werden. Nur dann kann Vereinbarkeit oder besser, die Addition von Karriere und Familie, gelingen. Wenn dieses Konzept allerdings nicht existiert, tappt man schnell in die Falle der Überforderung und Orientierungslosigkeit. Daraus ergibt sich ein negativer Rückkopplungskreis, der bis zum Burnout führen kann.

Wie können junge Eltern ihr persönliches Lebenskonzept erarbeiten?
Ina Claßen: Entscheidend ist, dass dieses im Kontext mit der Addition von Karriere und Familie steht. Dafür muss die Frau wissen, was ihr persönliches Lebenskonzept ist. Hier liegt die Herausforderung. Das persönliche Optimum hängt von privaten, persönlichen und arbeitgeberseitigen Faktoren ab. Wichtig ist, alle Rahmenbedingungen rückhaltlos ehrlich gegen die eigene Wunschrolle abzugleichen. Das ist nur möglich, wenn man weiß, was man eigentlich will. Und dies ist aus unserer Sicht die Grundlage, um seine eigene Rolle selbstbewusst zu vertreten. Auch für den Arbeitgeber wird es ansonsten schwer planbar, wie die Organisation, das Team und die Prozesse zukünftig am besten aufgestellt werden sollen. Daraus resultiert eine Unsicherheit, die in den Augen vieler Vorgesetzter bestätigt: Eine weibliche Führungskraft mit Kind und vielleicht noch in Teilzeit birgt ein hohes Maß an Unplanbarkeit.

Neben der Frage des WIE stellt sich auch die des WANN. Ihr helft jungen Frauen, ihren Weg zu finden. In welcher Phase befinden sich die Frauen, die sich von euch beraten lassen?
Karoline Iwersen: Die meisten Frauen kommen, wenn der Wiedereinstieg bevorsteht und das Chaos sich verdichtet. Dann müssen Fragestellungen jedoch schneller und effizienter bearbeitet werden, als wenn der Erstkontakt bereits in der Schwangerschaft stattfindet. Ein großer Teil der Mütter kommt aber auch erst nach dem Wiedereinsteig zu uns. Hier ist unsere Aufgabe, Ordnung in den Arbeits- und Familienalltag zu bringen oder gemeinsam über eine Veränderung im Job nachzudenken.

Welche Fragen werden Euch zuerst gestellt?  
Karoline Iwersen: Kern des Rollenentdeckerkonzeptes ist es, dass wir die Fragen stellen. Wir haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass sich Mütter in solchen komplexen Lebenssituationen schnell im Kreis drehen, wenn sie unangeleitet sprechen. Dann ist die Gefahr groß, dass es zu keinem greifbaren Ergebnis kommt. Ergebnisorientierte Gesprächsführung ist unser Anspruch und eine wahre Erholung für die Mütter, die dann einmal aus ihrem Gedankenkarussell ausbrechen können.

Welche Tipps gebt Ihr den Frauen auf den Weg?
Ina Claßen: Uns geht es nicht so sehr um Tipps, sondern darum, mit der weiblichen Fach- und Führungskraft zu erarbeiten, wie das persönliche Lebenskonzept aussieht. Da geht es um Fragen, wie die Frauen nach einem schnellen Wiedereinstieg direkt nach dem Mutterschutz ihre Vorstellungen zum Thema Stillen und einer Vollzeitstelle umsetzen können. Oder es geht darum, wie ich als Teilzeitkraft in Führungsverantwortung mein internationales virtuelles Team am besten steuern kann.

Karoline Iwersen: Andere Anliegen sind: Wie schafft es eine Mutter in einer 80-Prozent-Stelle genügend Zeit zum Abgeben des Kindes in der Kita zu haben und trotzdem pünktlich zum Meeting im Büro zu sein und zwar fokussiert auf den Job und das regelmäßig!

Ina Claßen: Hier geben wir keine Lösungswege vor, sondern wollen als Ratgeber unterstützen. Die Führungskraft erhält in allen Bereichen ihrer Situation als Mutter und Frau mit einer Karriere einen Plan, mit dem sie erfolgreich ihr Leben gestalten kann.

Oft ist es ja gar nicht einmal die Frage der Organisation, die Frauen bewegt, sondern auch des Selbstbewusstseins. Welche Tipps gebt Ihr Frauen, berufliche Eckpunkte nicht nur zu planen, sondern auch zu machen?
Karoline Iwersen: Unserer Meinung nach ist das Problem mit dem Selbstbewusstsein kein wirkliches. In der Zeit des Studiums sind Frauen eher mit einem starken Selbstbewusstsein ausgestattet worden. Nun werden diese Frauen, die mit dem Gefühl in das Arbeitsleben eintreten, alles erreichen zu können, Mütter.

Durch diesen Umstand wachsen die Aufgaben und der gesellschaftliche Druck von einem Tag auf den anderen. Auf Grund dieser Anhäufung kommt es zu einer erdrückenden Situation, in der berufliche Eckpunkte nicht mehr geplant werden, sondern einfach auf die Mutter zurollen.

Hier ist absolut wichtig, Frau der Lage zu bleiben und mit einem Konzept sich dieser Situation zu stellen. Die Planung der Karriere kann dadurch wiederaufgenommen werden und die Umsetzung gelingen. Die Selbstsicherheit wächst mit jedem abgehakten Punkt auf der eigenen To-Do-Liste.

 

DIE ROLLENENTDECKERINNEN___________________________________________________________

INA CLASSEN, Inhaberin und Managing Director bei brands for talents
Die Juristin verfügt über 20 Jahre Erfahrung in HR-Leitungsfunktionen im Dax 30, Mittelstand und KMU und erhielt mehrere Auszeichnungen (Global HR Excellence Award, HR Innoprize Henkel, Deutscher PR Preis in Gold).
Als leidenschaftliche und professionelle Recruiterin unterstützt sie Unternehmen, die richtigen Talente an Bord zu holen. Mit Talenten erarbeitet sie in der Karriere- und Bewerberberatung ein passgenaues online/offline Profil und begleitet während des Recruitment-Prozesses. Die Thematik der Addition von Karriere und Beruf kennt sie durch eigene Erfahrungen als Mutter und Managerin im Unternehmen auf der einen Seite und ihrer leitenden Management Funktion auf der anderen Seite.

 

KAROLINE IWERSEN, Vertrieb und Beratung bei brands for talents
Die Diplom-Biologin weiß als berufstätige Mutter von 4 Kindern, wie wichtig die richtige Positionierung in der Entwicklung der eigenen Karriere ist. Im Team von bft unterstützt sie Kunden bei der Verwirklichung ihrer Karriere.  Sie kennt die vorliegenden Problematik und gibt passgenaue Empfehlungen. Zusätzlich stellt sie ihre Expertise in dem Thema Addition von Karriere und Familie zur Verfügung.