Personalführung auf Augenhöhe

Die Arbeitswelt verändert sich. Der Film AUGENHÖHE zeigt, wo und wie dieser Wandel gestaltet wird: Unternehmen und Pioniere, die bereits Entscheidendes anders und vieles besser machen. Dort, wo Fairness, Innovation, Eigenverantwortung und Zusammenarbeit gelebte Werte statt hohler Worte sind. Ein Interview mit Silke Luinstra und Philipp Hansen vom AUGENHÖHE-Kernteam.

Das Interview führte Sonja Dietz

Der Film Augenhöhe ist kein „normales“ Filmprojekt, sondern eine Crowdfunding-Aktion. Können Sie das Projekt kurz umreißen?
Philipp Hansen: Uns fünf im Kernteam verbindet, bei aller Unterschiedlichkeit, der Wunsch die Arbeitswelt zu verändern hin zu einem wertschätzenden, respektvollen Miteinander. Ein Film inspiriert, macht Formen des Miteinanders sichtbar und erlebbar . Doch damit aus der Inspiration auch Veränderung wird, ist es wichtig sich auszutauschen und diesen Wandel gemeinsam zu gestalten. Wir sprechen daher von AUGENHÖHE Film+Dialog, da der Dialog-Teil mindestens genauso wichtig ist wie der Film selbst.
Dialog heißt dabei mehr als Crowdfunding, wir haben den Film von Anfang an gemeinsam mit einer interessierten Community entwickelt, ihn übers Crowdfunding gemeinsam finanziert und jetzt geht es neben der Fertigstellung auch um die gemeinsame Verbreitung. Und bei der Verbreitung geht es wiederum nicht nur um Filmvorführungen sondern um Film+Dialog-Veranstaltungen, damit Menschen nach dem Film ins Gespräch kommen und aktiv werden. Eigentlich müsste es also “Dialog zum Quadrat” heißen.

Die Crowdfunding-Aktion ist inzwischen beendet mit – überwältigender Resonanz. Welche Summe kam über welchen Zeitraum zusammen?
Silke Luinstra: Auf der Crowdfunding-Plattform sind 52.290 Euro zusammen gekommen. Das allein ist in der Tat schon überwältigend gewesen. Darüber hinaus gab es sowohl während als auch jetzt nach der Kampagne weitere Unterstützungen. Da haben wir noch gar nicht den kompletten Überblick, auch ändert sich da immer noch etwas.

Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet? Welchen Nerv trifft das Projekt insbesondere?
Silke Luinstra: Wir haben natürlich gehofft, dass wir unser Crowdfunding-Ziel erreichen – aber dass wir es sogar übertreffen, damit haben wir nicht gerechnet. Es war ja auch ganz schön spannend, wir haben erst zehn Tage vor Ende der Kampagne überhaupt unsere Fundingschwelle von 30.000 Euro überschritten. Crowdfunding ist wahrlich nichts für schwache Nerven. Aber der Erfolg zeigt, wie sehr wir einen Nerv getroffen haben, der Boden scheint da zu sein für diese Art Saat.

Wie erklären Sie sich das?
Philipp Hansen: Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert während der Aufbau von vielen Organisationen relativ gleich geblieben ist. Chefs, Abteilungen, Hierarchien usw. Es ist gewissermaßen ein Veränderungsrückstand entstanden und mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Beispielen, die zeigen, dass und wie es anders gehen kann. Ich glaube mehr und mehr Menschen nehmen wahr, dass Organisationen gestaltbar sind und dass wir es sind, die sie gestalten können – und müssen. Es kommt auf jeden von uns an, in seinem Umfeld notwendige Veränderungen anzustoßen.

Der Film AUGENHÖHE gibt den Pionieren der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts eine Stimme. Können Sie Beispiele skizzieren, welche neuen Wege eingeschlagen werden und wie?
Philipp Hansen: Da werden die Grenzen der Organisation radikal erweitert, plötzlich gehören Lieferanten, Kunden mit dazu und es wird gemeinsam mit ihnen entschieden. Oder alle wichtigen Unternehmenskennzahlen sind transparent und für alle jederzeit einsehbar. Chefs haben eine ganz neue Rolle, sie kümmern sie sich um einen passenden organisatorischen Rahmen oder um die Vernetzung von verschiedenen Akteuren. Dafür entscheiden sie kaum noch etwas inhaltlich – das wissen die Mitarbeiter nämlich besser. Dienende Führung ist da ein wichtiges Schlagwort. Oder einfach ein authentisches Miteinander, lachen, herumalbern, sich die Zunge rausstrecken, egal wer welche Position in der Firma hat.

Warum ist es so wichtig, die ausgetretenen Pfade in der Arbeitswelt zu verlassen?
Silke Luinstra: Ich sehe da vor allem zwei Gründe: Der erste ist humanistisch. Wir wissen inzwischen aus der Motivationsforschung, wann Menschen gerne und gut arbeiten: Wenn sie Ihr Potenzial einsetzen, selbstbestimmt agieren können und ihren Beitrag zu einem größeren Ganzen sehen – vereinfacht und frei nach Dan Pink gesprochen. Wir sind es den Menschen – uns – schuldig, dem Rechnung zu tragen und so viele Räume wie möglich zu gestalten, in denen “gute Arbeit” möglich ist.
Der zweite Grund ist ökonomisch: Die alten Strukturen sind zu langsam geworden, um auf die sich immer schneller, dynamischer werdende Umwelt zu antworten. Kunden sind anspruchsvoller geworden und Wettbewerber werden auch immer pfiffiger. Da muss ein Unternehmen schnell und passend agieren können. Und das geht nur, wenn alle mitdenken, mitmachen und mitentscheiden – und nicht ein Anliegen erst ins Management Board muss, bevor ein Projekt gestartet wird, dass in einem halben Jahr – vielleicht – eine Lösung präsentiert. Das ist jetzt ein wenig überspitzt, macht aber deutlich, worum es geht.

Welche Faktoren hemmten in der Vergangenheit das Entstehen eines guten Arbeitsklimas vor allem?
Silke Luinstra: Ich glaube gar nicht, dass früher das Arbeitsklima schlecht war. Ich denke da an meinen Vater, der Kundendiensttechniker war. Er hat immer richtig gerne gearbeitet, hat zu Hause in den höchsten Tönen von dem Unternehmen und von seinen Kollegen und Chefs gesprochen. Das waren noch die Ausläufer der Industriezeitalters, da hat alles gepasst: Das Organisationsprinzip Taylorismus passte zu den Anforderungen, die Unternehmen waren ihren Mitarbeitern gegenüber fürsorglich, haben z.B. Werkswohnungen gebaut, Freizeitaktivitäten angeboten und soziale Aspekte in der Vergütung berücksichtigt. Die Mitarbeiter fanden in diesem System eine Form von Sicherheit und waren ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal. Das alles änderte sich, als die  Märkte dynamischer wurden und das System nicht mehr passte. Es brach förmlich – unbemerkt – zusammen und man hat versucht, es zu reparieren. Beispielsweise indem immer mehr Regeln eingeführt wurden – die aber auch nicht halfen, sondern nur zu noch mehr Druck führten. Das macht dann mieses Klima.

Braucht es immer große Innovationen und Investitionen, um Dinge zu verändern, oder geht es auch mit schmalem Budget?
Philipp Hansen: Vielleicht ist die große Innovation auch die Vielzahl an kleinen Innovationen, die dann zu einem anderen Miteinander führen. Ein wichtiger Aspekt des Wandels ist meiner Meinung nach gerade der Fokus auf das eher Weiche in der Organisation, auf das Soziale, während jahrzehntelang der Fokus auf dem “Harten” auf Geld, Technik und Strukturen lag. Ich glaube dieser Wandel braucht vor allem Mut, Fantasie und Geduld. Vielleicht aber auch recht große Investitionen davon, und ich glaube, das ist recht unabhängig vom finanziellen Budget.
Silke Luinstra: Ich möchte das verstärken: Es braucht vor allem Mut zum Ausprobieren. Nur so können Menschen und Organisationen lernen – was eine notwendige Voraussetzung für einen Wandel – und damit aus meiner Sicht auch für ein langfristiges Überleben der jeweiligen Organisation ist.

Wie geht’s nun mit dem Film weiter? Wann und wo wird er zu sehen sein?
Philipp Hansen: Wichtig – der Film ist noch gar nicht fertig sondern es wird noch gedreht, geschnitten, produziert, damit wir am 30.Januar Premiere in Hamburg feiern. Ab Februar 2015 wird der Film online zum Download und als DVD verfügbar sein. Es gilt, der Film soll dort zu sehen sein, wo DU es willst. Auf unserer Website augenhoehe-film.de  können Interessierte verfolgen, wo wir stehen und finden weitere Hinweise auf Veranstaltungen – und darauf, wie sie selber für mehr AUGENHÖHE  in der Arbeitswelt aktiv werden können.

Glauben Sie, dass der Film einen nachhaltigen Impuls für die Arbeitswelt liefern wird?
Philipp Hansen: Ich hoffe das natürlich. Einer unser Unterstützer sagte so schön, der Film – das sind fünf Prozent. Der Rest ist harte Veränderungsarbeit. Statt harter Veränderungsarbeit würde ich eher vom Gestalten sprechen und der Film kann dafür eine Inspiration sein, in welche Richtung dieses Gestalten gehen kann.
Silke Luinstra: Neben Inspiration ist für mich noch der Faktor “Mut machen” wichtig. Im Film erzählen Menschen von ihrem Unternehmen, davon, wie sie Dinge entwickelt haben, was dabei leicht, aber auch was schwierig war und ist. Ihre Begeisterung ist dabei immer spürbar und sie sind lebendige Beispiele dafür, dass ein Wandel nicht nur möglich ist, sondern auch Erfolg hat. Menschlich und ökonomisch.

ZUR PERSON…

Philipp Hansen (25) interessieren interaktive Veranstaltungsformate, bei denen alle Teilnehmer gemeinsam Lernende sind. Er hat Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert und sich für seine Abschlussarbeit mit Unternehmen beschäftigt, die sich ohne Chefs und formale Hierarchie organisieren.

Silke Luinstra (44) initiiert und realisiert Projekte für eine neue Arbeitswelt, in der Menschen ihre Talente und Organisationen ihre Potentiale entfalten können. Die gelernte Diplomkauffrau ist systemisch ausgebildet und hat über 20 Jahre Erfahrung als Moderatorin, Beraterin und Trainerin sowie in der internen Personal- und Organisationsentwicklung.