Unbegrenzter Urlaub: Frei nehmen ohne Limit?

Frau am Flughafen zieht Koffer hinter sich her.

von Christina Pichlmaier

Vorreiter für das Konzept „unbegrenzter Urlaub“ sind die USA. Hier wird es seit über 15 Jahren in verschiedenen Branchen eingesetzt. Die Idee klingt paradiesisch für Arbeitnehmende: Unternehmen machen ihren Mitarbeitenden keine Vorgaben, wie viel Urlaub sie im Jahr nehmen können. In der Theorie können sie also 35, 40 oder noch mehr Urlaubstage nehmen.

In der Regel wird dieser Ansatz jedoch an die Leistung des Arbeitnehmenden gekoppelt: Sie müssen ihr vertragliches Arbeitspensum erfüllen. Darüber hinaus müssen betriebliche Situationen und Abläufe berücksichtigt werden, ob der Zeitpunkt für den „Extra-Urlaub“ auch tatsächlich passt. Ohne Absprache mit der Leitung läuft also nichts.

Unbegrenzter, bezahlter Urlaub ist also nicht ganz so eindeutig und einfach umsetzbar, wie es zunächst den Anschein hat. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Vor- und Nachteile der „Unlimited Vacation Policy“ – sowohl aus Arbeitnehmer- als auch Arbeitgebersicht.

Unbegrenzter Urlaub in Deutschland

Beim Thema unbegrenzter Urlaub schwingt im Hintergrund mit, dass in diesem Fall gar keine Regelungen bestehen. Die meisten deutschen Arbeitnehmenden wissen aber, dass durchaus nach wie vor gesetzliche Vorgaben gelten. Diese treffen auch dann zu, wenn ein Unternehmen sich entscheidet, auf Urlaub ohne Zeitbegrenzung umzustellen.

Der gesetzliche Jahresurlaubsanspruch wird im Bundesurlaubsgesetz (BurlG) geregelt. Dieser wird mit 24 Werktagen pro Jahr festgehalten, bezieht sich jedoch auf eine Sechs-Tage-Woche (§3 BurlG). Für die meisten Arbeitnehmenden gelten jedoch fünf Wochenarbeitstage. Umgerechnet haben sie also einen Urlaubsanspruch von zwanzig Tagen pro Jahr.

Nicht nur Arbeitgebende sind verpflichtet, dem gesetzlichen Anspruch seiner Mitarbeiter:innen nachzukommen. Auch Arbeitnehmende müssen ihren Jahresurlaub im laufenden Kalenderjahr nehmen. Ausnahmen sind nur bei dringenden betrieblichen Belangen zulässig oder wenn ein bestimmter Vorrang von Kolleg:innen zum selben Zeitpunkt besteht (§7 BurlG).

Unbegrenzter, bezahlter Urlaub bezieht sich in Deutschland insofern auf die Anzahl an Urlaubstagen, die über die gesetzliche Mindestzahl hinaus geht. Unterschritten werden darf der Mindestjahresurlaub laut Gesetzgeber also nicht.

Vor- und Nachteile für Arbeitgebende

Urlaub ohne Limits einzuführen, kann für manche Unternehmen durchaus sinnvoll sein. Sie sollten vorab jedoch positive und negative Auswirkungen dieser Umstellung abwägen.

Vorteile

  • Reduzierter Verwaltungsaufwand:
    Ein Unternehmen muss lediglich nachhalten, dass Arbeitnehmende den gesetzlichen Mindesturlaub in Anspruch nehmen. Darüber hinaus muss es nicht weiter rückverfolgen, ob noch Resturlaub vorhanden ist, und wenn ja, wie viel.
  • Positives Employer Branding:
    Urlaub ohne Zeitbegrenzung kann sich als sehr förderlich für das Image als Arbeitgeber:in erweisen. Spricht sich dies in der Arbeitswelt um, kann das positiv besetzte Employer Branding in der Zukunft gute Kandidat:innen anziehen.
  • Anreize ohne Gehaltserhöhung:
    Eine unbeschränkte Anzahl an Urlaubstagen ist eine Art Bonus, ohne dafür den Verdienst von Arbeitnehmenden erhöhen zu müssen. Bei gleichbleibender Arbeitskraft und gleichbleibendem Gehalt fallen für den oder die Arbeitgeber:in keine Extrakosten an.
  • Keine oder geringe Abgeltung von Resturlaub:
    Wenn Mitarbeiter:innen im Verlauf des Jahres den Mindesturlaub in Anspruch nehmen, hat das Unternehmen seinen Part in der Hinsicht getan. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann somit eine etwaige Abgeltung des Resturlaubs entfallen oder zumindest relativ niedrig ausfallen. Dies gilt natürlich nur unter Berücksichtigung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs.

Nachteile

  • Aktive Ermutigung:
    Obliegt es den Arbeitnehmenden selbst, die Anzahl an Urlaubstagen zu organisieren, dann tendieren sie erfahrungsgemäß dazu, weniger frei zu nehmen, eventuell sogar weniger als es der gesetzliche Anspruch vorsieht. Hier müssen Vorgesetzte aktiv die Mitarbeiterschaft ermutigen, Urlaube einzulegen. Die Einsparungen hinsichtlich des geringeren Verwaltungsaufwand können sich dann im Extremfall ausgleichen.
  • Überarbeitung und Leistungsminderung:
    Nehmen Mitarbeiter:innen lediglich das absolute Minimum an Urlaubstagen, weil sie beispielsweise nicht als faul erscheinen möchten, kann dies zu Überarbeitung führen. Besonders dann, wenn sie zusätzliche Urlaubstage aus ihrer Sicht „erarbeiten“ müssen, sie also an die Bedingung hoher Leistung geknüpft sind. Druck und eingeschränkte mentale Gesundheit führen letztlich zu einer verminderten Arbeitsleistung.
  • Schaden fürs Employer Branding:
    Eine Unlimited Vacation Policy kann sich nicht nur positiv auf das Firmenimage auswirken. Wird es nämlich nur auf dem Papier angewendet oder ein Extra-Urlaub de facto nur sehr sporadisch gewährt, kann sich dieser Umstand wie ein Lauffeuer verbreiten. Das Employer Branding nimmt Schaden.
  • Bevorzugung Einzelner vs. Arbeitsklima:
    Unbegrenzter Urlaub begünstigt die Bevorzugung einzelner Mitarbeitender. Selbst wenn dies nicht bewusst geschieht, so besteht für Vorgesetzte die Gefahr, bestimmten Arbeitnehmenden eher zusätzlichen Urlaub zu gewähren. Das können beispielsweise bestimmte Leistungsträger sein oder Teammitglieder, die sie persönlich kennen. Der Rest der Belegschaft wird dies bemerken. So wirkt sich die Ungleichbehandlung direkt und vor allem negativen auf das Arbeitsklima aus.

Vor- und Nachteile für Arbeitnehmende

Viele Arbeitnehmende werden auf den ersten Blick womöglich leuchtende Augen bekommen, wenn sie im Arbeitsvertrag von unbegrenztem Urlaub lesen. Doch auch für sie gibt es nicht nur positive Aspekte dieses Konzepts.

Vorteile

  • Mehr Urlaub:
    Es ist theoretisch möglich, überdurchschnittlich viele Urlaubstage zu nehmen. Das heißt, mehr Urlaub als der gesetzliche vorgeschriebene und sogar mehr als der deutsche Mittelwert.
  • Eigenverantwortung:
    Arbeitnehmer:innen können selbst über die Menge an freien Tagen bestimmen. Es stellt sich womöglich auch ein Gefühl von beruflicher Selbstständigkeit ein. Diese Eigenverantwortung kann somit auch zu gesteigerter Motivation führen.
  • Belohnung:
    Leisten Arbeitnehmende konstant gute Arbeit und wissen das auch, kann unbegrenzter Urlaub als Belohnung fungieren. Und das obwohl eine solche Bedingung streng betrachtet nicht existiert. Dennoch vermittelt eine solche „Belohnung“ Wertschätzung gegenüber der Mitarbeiter:innen.
  • Gesteigerte Lebensqualität:
    Selbst entscheiden zu können, wie viel freie Tage sie nehmen, verbessert die Work-Life-Balance von Arbeitnehmenden. Auch Menschen mit Kindern oder mit pflegebedürftigen Personen im Haushalt können mit einer freien Anzahl an Urlaubstagen einfacher Privatleben und Arbeit verbinden.

Nachteile

  • Nur gesetzlicher Jahresurlaub:
    Je nachdem, wie ein Unternehmen das Konzept des Urlaubs ohne Limits umsetzt, können Arbeitnehmende am Ende des Jahres tatsächlich mit nur der gesetzlichen Mindestanzahl an freien Tagen dastehen.
  • Befürchtung, als faul zu gelten:
    Arbeitnehmende tendieren ohne klare Vorgaben zum Urlaub erfahrungsgemäß dazu, nur das Mindestmaß an Urlaubstagen zu nutzen. Sie möchten innerhalb der Firma oder des Teams nicht als Faulenzer gelten, wenn sie mehr Urlaub nehmen als andere Kollegen. Und das unabhängig davon, ob sie ein High Performer sind oder ihrem Job gut, aber auf weniger hohem Level erfüllen. So können sie leicht unter den deutschen Mittelwert fallen.
  • Leistungsdruck:
    Urlaub ohne Zeitlimits setzt natürlich voraus, dass Arbeitnehmende dem Pensum ihrer Arbeitsstelle angemessen nachkommen müssen. Allerdings kann das Konzept dazu führen, dass sie sich übermäßigem Druck aussetzen, um den Extra-Urlaub „zu verdienen.“ Die Kopplung von unbegrenztem Urlaub und Leistung meint aber landläufig nicht, mehr leisten zu müssen, um mehr Urlaub nehmen zu dürfen.
  • Erreichbarkeit im „Extra-Urlaub“:
    Arbeitnehmende können sich verpflichtet fühlen, an Urlaubstagen, die sie über die Mindestanzahl hinaus nehmen, beruflich erreichbar sein zu müssen. Sie nutzen die freien Tage somit nicht wirklich für das Privatleben, sondern haben Laptop und Handy ständig griffbereit.

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