So verhandeln Personaler
Personalarbeit ist Arbeit am Menschen und mit Menschen. Wer im HR-Bereich arbeitet ist damit sehr häufig gefordert, Verhandlungen zu führen und auch Konflikte zwischen unterschiedlichen Parteien zu entschärfen.
Heute ist wieder so ein Tag. Gleich morgens mit dem Leiter des Qualitätsmanagements darüber diskutieren, ob in seinem Bereich wirklich zusätzliche Stellen genehmigt werden müssen. Um 11 Uhr der Termin mit dem Betriebsrat, bei dem es um eine Betriebsvereinbarung zur Ausweitung der Arbeitszeitflexibilisierung geht. Dann das Gespräch mit dem Produktmanager über die Konditionen seines Aufhebungsvertrags. Die Juristin aus der Patentabteilung bat um ein vermittelndes Dreiergespräch mit einem Vertreter aus dem HR Bereich und mit ihrem Chef, da Uneinigkeit bezüglich ihrer Beurteilung besteht. Schließlich steht noch die große Runde mit der Geschäftsführung auf der Agenda, bei der es um Kosteneinsparpotenziale bei dem Thema Personalrekrutierung gehen soll.
Mehr Weiterbildungen für Personaler
Verstärkt erkennen Unternehmen, dass sie speziell auch ihren Mitarbeitern aus dem Personalbereich das notwendige methodische Handwerkszeug der Verhandlungsführung an die Hand geben sollten. So bestätigt auch der Konferenzveranstalter Management Circle, dass die Zahl der HR-Mitarbeiter an den angebotenen Verhandlungstrainings zunimmt.
Sonja Rauschütz, Geschäftsführerin der Vienna School of Negotiation hat sich auf die strategische und operative Begleitung von Verhandlungen und die Professionalisierung von Verhandlern spezialisiert. “Häufig werden die Möglichkeiten, die eine Verhandlungssituation bietet, nicht ausgeschöpft, da nur um Positionen gefeilscht, aber nicht die dahinter liegenden Interessen befriedigt werden.”
Personaler sollen die Position des Gegners verstehen
So plädiert Rauschütz dafür, sich als ersten Schritt mit der Sichtweise des Gegenübers zu beschäftigen. Einflussnahme bedeutet die Logik meines Gegenübers zu verstehen. Was ist für den anderen wirklich wichtig? Geht es dem Produktmanager, mit dem über seinen Aufhebungsvertrag zu sprechen ist, wirklich nur um die Höhe seiner Abfindung, oder spielen auch Faktoren, wie Gesichtswahrung oder die Unterstützung bei der Suche einer neuen adäquaten Position eine wichtige Rolle?
Rauschütz, die als einzige Europäerin mehrere Jahre an der Seite von Roger Fisher, dem Autor des Bestsellers “Das Harvard Konzept” am Harvard Negotiation Project gearbeitet hat, weiß aus zahlreichen Verhandlungen, was zum Erfolg führt: “Verhandeln ist ein Zusammenspiel aus inhaltlich guten Ergebnissen, konstruktiven Arbeitsbeziehungen und aufmerksamer Prozessgestaltung.”
Prozesse zielgerichtet gestalten
Ganz allgemein rät die Expertin das inhaltliche Problem vom Menschen zu trennen. Das heißt, in der Sache hartnäckig die eigenen Interessen zu verfolgen, im Umgang mit den Menschen aber höflich zu agieren. Für das Gespräch mit dem Qualitätsmanager und seinem Wunsch nach zusätzlichen Stellen bedeutet dies, nicht leichtfertig weitere Stellen zu genehmigen und gleichzeitig Verständnis für den Bedarf des Qualitätsmanagers zum Ausdruck zu bringen. Tragfähige Lösungen ließen sich dann erzielen, so Rauschütz, wenn durch zielgerichtete Prozessgestaltung zunächst ein breites Spektrum an Ideen und Optionen entwickelt wird und erst im nächsten Schritt diese Ideen zum Paket geschnürt und bewertet werden.
Vorschnelle Entscheidungen und frühes Festlegen der eigenen Position führen nicht selten zu faulen Kompromissen. Zeitlich befristete Unterstützung durch externe Dienstleister, die Beschäftigung eines Werkstudenten oder Praktikanten, die Umverteilung von Aufgaben oder die Veränderung von Prozessen könnten hier Ansatzpunkte sein.
Da jeder “fair” behandelt werden will, helfen bei der Bewertung von Lösungen objektivierbare Standards. Zur Beurteilung von Einsparpotenzialen bei Rekrutierungskosten könnten so beispielsweise Benchmarks von vergleichbaren Unternehmen oder die Gehaltsentwicklungen der Branche herangezogen werden.
Die fünf Verhandlungsstile
“Fünf unterschiedliche Verhandlungsstile sollte ein professioneller Verhandler beherrschen”, erläutert Rauschütz: Vermeiden, Durchsetzen, Nachgeben, den Kompromiss und die gemeinsame Problemlösung (Win-Win). Welche Strategie sinnvoll sei, hinge von der jeweiligen Situation und vor allem von der eigenen Absicht ab.
“Win-Win ist dann erstrebenswert, wenn ich dadurch das beste Ergebnis für mich erzielen kann. Es ist mit einem Aufwand an Zeit und Ressourcen verbunden und am Ende des Tages gibt weder Win-Win noch Win-Lose den Ausschlag, sondern ob ich durch einseitiges Durchsetzen oder Kooperation mit der anderen Seite erfolgreicher bin, erläutert Rauschütz.
Verhandlungen mögen komplex sein, aber Verhandlungsführung kann man lernen und sukzessive sein Repertoire – inhaltlich, personenbezogen und prozessorientiert – erweitern. Besonders erfahrene Verhandler wissen, dass ohne professionelle Vorbereitung und die laufende Schärfung der eigenen Fähigkeiten auch der erwünschte Verhandlungserfolg dem Zufall überlassen bleibt.
Und welcher Ansatz bietet sich für den Konflikt zwischen der Patentjuristin und ihrem Abteilungsleiter? Einen Weg geht etwa die SAP mit der Ausbildung von so genannten Konfliktnavigatoren. Auch hier ist der Personalbereich federführend gefordert, um tragfähige Lösungswege zu finden.
(Doris Brenner, Januar 2012)