Robot Recruiting: Algorithmus statt Bauchgefühl

Ist der Roboter der besserer Recruiter? Global und auch hierzulande testen Firmen, ob sich der Rekrutierungsprozess komplett elektronisch steuern lässt. Wie Robot Recruiting funktioniert, und wo die Vor- und Nachteile liegen.

Von Sonja Dietz 

Den neuen Job könnte schon bald nicht mehr der Personaler, sondern ein Algorithmus vergeben. Was nach kalter Macht der Maschine klingt, kann von Vorteil sein, wenn es um die Gleichberechtigung geht. Denn nicht selten urteilen Computer gerechter als Menschen. Sie lassen sich nicht von Hautfarbe, Geschlecht oder Ethnie beeinflussen. Der Roboter beurteilt überdies auch schneller und effizienter. 95 Prozent aller US-Konzerne lassen daher schon jetzt Unterlagen per Computerprogramm scannen.

Software scannt nach festgelegten Kriterien

Dabei erledigt eine datenbasierte Analysesoftware den Job, den einstmals Recruiter inne hatten. Sie scannt die Bewerbungsunterlagen und Lebensläufe elektronisch, analysiert auf Basis voreingestellter Kriterien und selektiert. Bewerber müssen ihre Unterlagen hierzu lediglich hochladen oder Online-Fragebögen ausfüllen.
Nicht nur für Unternehmen, auch für Jobsuchende macht das die Sache einfacher:

• Sie brauchen kein kreatives Layout
• Keine phantasievollen Formulierungen
• Stattdessen reichen Zahlen, Daten, Fakten im Telegrammstil

Künftig werden nicht nur aktive Jobsucher in Kontakt mit den Robot-Recruitern kommen, sondern auch Angestellte, die womöglich gar nicht über einen Jobwechsel nachdenken. Denn immer mehr Unternehmen gehen von sich aus auf Talentsuche: Weil Fachleute knapp sind und die Bewerbungs-Posteingänge leer, betreiben sie aktives Recruiting.

IT: Ohne Active Sourcing geht’s nicht mehr

Besonders stark ausgeprägt ist dieser Trend im IT-Bereich. Während der Fachkräftemangel in den meisten Branchen nur langsam ankommt, ist er im IT-Sektor inzwischen Realität. Hinzu kommt: Wechselwillige IT-Professionals sind nicht nur rar, sie veröffentlichen auch nur wenige Informationen zu ihren fachlichen Stärken und Qualifikationen. Aber jetzt gibt es neue Optionen für stressgeplagte Personaler, die händeringend nach Talenten suchen.

Dafür sorgen hochmoderne Robots, die sogar genau auf die Bedürfnisse in der IT zugeschnitten sind. Will heißen: Sie suchen in den Portalen, in denen sich IT-Spezialisten tummeln. Facebook und Co. kann jeder, das aber greift bei der Suche nach der Nadel im Heuhaufen viel zu kurz.  Im Ergebnis tragen die Robots sämtliche frei verfügbaren Informationen über die gesuchten Experten so zusammen, dass ein repräsentatives Gesamtbild entsteht. Ceclustert sind sie in einer Art CV.

Datenschutz? Alles sicher!

Da ähnlich wie bei den großen Websuchmaschinen ausschließlich auf öffentlich zugängliche Informationen zurückgegriffen wird, ist die Einhaltung deutscher Datenschutzrichtlinien garantiert. Die angezeigten Auskünfte verlinken direkt auf die jeweilige Originalseite, die von den einzelnen Kandidaten jederzeit verändert oder gelöscht werden kann. Der Recruiter sieht nur, was der Kandidat im Web selbst von sich Preis gibt. Findet die Software einen aussichtsreichen Kandidaten, kann der Personaler im nächsten Schritt persönlich Kontakt aufnehmen.

Zukünftig wird sich diese Entwicklung weiter fortsetzen. Das jedenfalls legt die kostenlose Studie „Recruiting Trends“ nahe. Mit Blick auf die Potenziale einer IT-unterstützen Rekrutierung gibt mehr als die Hälfte der befragten Top-1.000-Unternehmen aus Deutschland an, dass dies den Prozess der Kandidatenvorauswahl beschleunigt. Zudem fördert der Roboter nach Meinung von 43,0 Prozent der Studienteilnehmer eine diskriminierungsfreie Bewerbervorauswahl.

Wird der Recruiter also bald durch einen Rechner ersetzt? Nein! Bis zur vollautomatischen Nachwuchsbeschaffung ist der Weg noch weit – denn noch kennen viele Unternehmen ihre potenziellen Kandidaten gar nicht gut genug. Nur gut jedes dritte Unternehmen weiß im Detail, über welche Kanäle Bewerber auf eine ausgeschriebene Stelle aufmerksam geworden sind. Oder anders ausgedrückt: Die meisten Unternehmen wissen nicht, was in der Rekrutierung funktioniert hat und was nicht. Und wer diese Erfolgsmuster nicht kennt, kann sie auch nicht rechnerunterstützt nachvollziehen. (Bild: Shutterstock)