PersonalSpitzen: Audiokonferenzen – die Hölle am Telefon

Die Mail im Eingangskorb klingt unschuldig: “Mittwoch 9:30 Audio-Konferenz”, dazu ein knackiger Titel und eine ellenlange Einwahlnummer. Doch gerade Angestellte großer Unternehmen wissen: Audios wurden erfunden, um andere Menschen von der Arbeit abzuhalten, meint die Autorin unserer Kolmune PersonalSpietzen,  Francoise Hauser.

Die Grundidee ist Oskar reif: Völlig fremde Menschen, oft über die ganze Welt verteilt, besprechen per Telefon wichtige Fragen und sparen sich Reisekosten und/oder viele Einzeltelefonate. Umso erstaunlicher ist, dass Audios oder Telefonkonferenzen nur selten wirklich atemberaubende Erkenntnisse oder Pläne ergeben.

Telefonkonferenz: Wer hört überhaupt hin?

Eine Umfrage der Harvard Business Review im Jahr 2014 belegt dies schonungslos: Mehr als die Hälfte aller Teilnehmer passen sowieso nicht wirklich auf oder geben sich selbstverständlich diversen anderen Tätigkeiten hin.

Für die meisten Meetingleiter ist diese Erkenntnis gar nicht mal neu. Sie kennen die gesamte Palette akustischer Beweise, vom leisten Schnarchen im Hintergrund bis zum permanentem Tastaturgeklapper, den Geräuschen einer Klo-Spülung, Liebesgeflüster und sogar – nein, es ist nicht erfunden oder übertrieben – dem Gestöhne eindeutig horizontaler Übungen. Da weiß offensichtlich jemand das Home Office optimal zu nutzen.

Mute-Taste – unbedingt aufs Knöpfchen drücken

Natürlich kann – ja muss – man daraus Lehren ziehen: Das wahrscheinlich wichtigste Utensil des Teilnehmers ist, gleich nach dem Kopfhörer, die Mute-Taste. Wie selten sie zum Einsatz kommt, zeigen besagte Beispiele – gleichzeitig demonstrieren sie auch, wie viele Menschen dummerweise zweimal draufdrücken und dann doch wieder zu hören sind.

Falls Sie zu den wenigen Menschen gehören, die sich bisher voll und ganz jeder noch so zähen Audio gewidmet haben, hier eine kleine Anregung. Zu den erprobten Nebentätigkeiten gehören:

  • Einfach weiterarbeiten und nur aufhorchen wenn der eigene Name fällt. Vor allem stupide Routinearbeiten am Bildschirm lassen sich ganz wunderbar im Hintergrund erledigen. Wäre doch gelacht, wenn man nicht wenigstens noch ein wenig schnöde Korrespondenz erledigen könnte!
  • Videos schauen. Den gängigen Gratis-Portalen sei Dank lässt sich immer ein spannendes Kurzfilmchen finden und eventuell sogar an andere gelangweilte Teilnehmer weiterleiten. Hier ist allerdings ein gewisses Geschick mit der Maus vonnöten, denn gegebenenfalls heißt es, den Ton blitzschnell auszuschalten.
  • Ein Mittagsschläfchen einlegen. Schnarcher sollten bei dieser Gelegenheit jedoch besonders auf die Mute-Taste achten und sich einen Wecker stellen, der den Ruhenden kurz vor dem projektierten Ende der Konferenz weckt.
  • Shoppen gehen – online natürlich.
  • Fingernägel feilen. Oder lackieren. Oder vielleicht vorher einen kleinen Snack aus der Kantine holen und während der Audio verputzen. Das machen laut der erwähnten Studie der Harvard Business Review immerhin 55 Prozent aller Teilnehmer.
  • Mitschreiben und nach dem Meeting ein kurzes Protokoll verschicken. Diese Variante entspricht dem schulischen Streber und wird meist gar nicht so positiv aufgenommen wie es sich die Protokollanten versprechen.

Audiokonferenzen – oft viel zu lang…

Doch selbst bei exzellentem Eigenmanagement und vielen Überbrückungstätigkeiten kranken Audios grundsätzlich an ihrer Dauer. Gerade wenn man mental schon am Einpacken ist, und die Hand auf den roten Unterbrechungsknopf legt, hat irgendjemand noch eine Frage. Und noch eine.

Oft sind es Themen, die man niemals in fünf Minuten beantworten kann. Oder will. Oder die gut eine Stunde vorher schon besprochen wurden, als der Fragensteller durch eine der oben genannten Nebentätigkeiten abgelenkt war. Möglicherweise hat der Fragende seine Einwände auch schon lange vorher geäußert – und dabei übersehen, dass die Mute-Taste noch aktiviert war.

Fairerweise muss man die Vorteile der Audiokonferenzen auch erwähnen:

  • sie sind ziemlich kostengünstig. Zumindest so lange, bis man die verlorene Arbeitszeit berechnet.
  • Sie klingen ziemlich wichtig. Hat man es geschafft, ein Thema audiokonferenz-fähig zu machen, ist es fast schon in der Führungsetage angekommen.
  • Alternativ stiften Audios auch Lebenszweck: Herr Mayer ist wichtig und keinesfalls wegrationalisierbar, schließlich leitet er die tägliche Morgen-Audio.
  • Hier kann der Chef seine Angestellten quasi in der freien Wildbahn belauschen

Letzteres ist üblicher, als die meisten Angestellten denken. Zwar wird bei den gängigen Systemen jeder Neuzugang mit einem Piep angekündigt, doch Profis wissen dies zu umgehen. Zum Beispiel indem sie einfach als erste kommen und dann die Klappe halten oder sich so pünktlich einloggen, dass ihr Pieps unter den vielen anderen untergeht.

Vielleicht haben sich deshalb die Video-Konferenzen bisher noch nicht gegen die Audios durchsetzen können? Für die meisten Teilnehmer wäre das keine gute Entwicklung, denn dann wären die Tage des Fingernägelfeilens, der Mittagsschläfchen und der Teilnahme im entspannten Jogginghosen-Outfit im Home Office gezählt. (Bild: Fotolia.de)