Schadenersatzansprüche im Arbeitsverhältnis

Gerade erst hat der Technische Verkaufsberater eine neue Stelle angetreten, schon steht er vor einem Problem: Während er mit Kunden Verkaufsgespräche führte, drangen Diebe in das Lager ein und stahlen zwei Dutzend Mobiltelefone. Der Arbeitgeber verlangt von ihm den Schaden in Höhe von 12.000 Euro zu ersetzen. Zu Recht?

von Henning Abraham


Nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln müsste der Arbeitnehmer schon bei einer leicht fahrlässigen Pflichtverletzung die daraus resultierenden finanziellen Schäden ersetzen. Nicht so im Arbeitsrecht: Denn Arbeitnehmer werden gerade im Interesse des Arbeitgebers tätig. Dabei sind sie regelmäßig besonderen Haftungsrisiken (z. B. Umgang mit wertvollen Produkten) ausgesetzt. Zudem kann im Rahmen des auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnisses auch der sorgfältigste Arbeitnehmer gelegentliche Fehler kaum vermeiden.

Innerbetrieblicher Schadensausgleich

Die Rechtsprechung hat deshalb für betrieblich veranlasste Tätigkeiten – also eine im Interesse des Arbeitgebers erfolgende Tätigkeit – Haftungserleichterungen entwickelt. In Abhängigkeit von dem Verschuldensgrad des Arbeitnehmers wird die Haftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt (innerbetrieblicher Schadensausgleich). Auch wenn für die Haftungsverteilung stets sämtliche Umstände des Einzelfalls heranzuziehen sind, haben sich drei Haftungsstufen herausgebildet:

  • Leichte Fahrlässigkeit: Der Arbeitnehmer haftet nicht bei geringfügigen oder leicht entschuldbaren Nachlässigkeiten, die jedem Arbeitnehmer passieren können. War der Verkaufsberater in unserem Fall also durch das Beratungsgespräch abgelenkt, dürfte ihn keine Haftung treffen.
  • Mittlere Fahrlässigkeit: Mittlere Fahrlässigkeit ist bei Fehlern gegeben, die nicht nur ein geringfügiges, aber auch noch kein grobes Fehlverhalten darstellen. Der entstandene Schaden ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufzuteilen. Dabei sind unter anderem die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, die Höhe des Schadens und die Versicherbarkeit des Risikos zu berücksichtigen. In unserem Fall würde der Verkaufsberater also anteilig haften, wenn er zur Führung eines privaten Telefonats dem Verkaufsraum den Rücken zugedreht hätte.
  • Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz: Der Arbeitnehmer handelt grob fahrlässig, wenn er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und Verhaltensregeln missachtet, die im konkreten Fall jedem einleuchten müssen. Grobe Fahrlässigkeit läge in unserem Fall vor, wenn der Verkaufsberater den Verkaufsraum verlassen hätte, um auf der Straße mit einem Bekannten zu plaudern. Führt der Arbeitnehmer den Schaden gar absichtlich oder wissentlich herbei, handelt er vorsätzlich. Grundsätzlich haftet der Arbeitnehmer in beiden Fällen für den gesamten Schaden.

Haftungsbeschränkung

Bei besonders hohen Schäden – die Haftung des Arbeitnehmers übersteigt dessen Brutto-Monatsgehalt deutlich – nimmt die Rechtsprechung zugunsten des Arbeitnehmers zudem eine summenmäßige Haftungsbegrenzung vor:

  • bei normaler Fahrlässigkeit auf ein Brutto-Monatsgehalt
  • bei grober Fahrlässigkeit auf maximal drei Brutto-Monatsgehälter

Bei vorsätzlichem Handeln scheidet eine Haftungsbeschränkung hingegen aus.

Sach- und Vermögensschäden dritter Personen

Für Sach- und Vermögensschäden dritter Personen haftet der Arbeitnehmer dem Dritten gegenüber grundsätzlich unbeschränkt. Resultieren diese Schäden jedoch aus einer betrieblich veranlassten Tätigkeit, kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unter bestimmten Umständen verlangen, dass dieser einen Teil des Schadens übernimmt (Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber). Die Höhe dieses Freistellungsanspruchs ergibt sich aus den dargestellten Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich.

Personenschäden dritter Personen

Bei Personenschäden ist zu differenzieren: Handelt es sich bei der verletzten Person um einen betriebsfremden Dritten, beispielsweise einen Kunden, gelten dieselben Grundsätze wie bei Sach- und Vermögensschäden. Wird jedoch ein Arbeitskollege verletzt, werden diese Schäden als Arbeitsunfall in aller Regel von der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeglichen. Dabei greift zugunsten des schädigenden Arbeitnehmers in der Regel ein Haftungsausschluss, um den Betriebsfrieden zu wahren.

 

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Henning Abraham
Rechtsanwalt am Hamburger Standort der internationalen Sozietät Hogan Lovells. Abraham berät nationale wie internationale Unternehmen in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Zu den Schwerpunkten seiner Tätigkeit zählen neben der Beratung und Vertretung in kündigungsrechtlichen und allgemeinen arbeitsvertraglichen Angelegenheiten  die Beratung zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen. Abraham absolvierte sein Studium an der Universität Hamburg.