Vier-Tage-Woche: Sinnvolle Arbeitszeitanpassung oder Zeitverschwendung?

Frau mit blonden langen Haaren und Brille im Büro blickt selbstbewusst in die Kamera

von Christina Pichlmaier

Die Arbeitswelt unterliegt ständigem Wandel. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Länge der wöchentlichen Arbeitszeit. Diese hat sich im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts drastisch verändert. Um 1905 war eine Sechs-Tage-Woche mit sechzig Arbeitsstunden die Norm. In den 1950er Jahren begann sich die von Deutschen Gewerkschaftsbund angestoßene Vierzig-Stunden-Woche und das arbeitsfreie Wochenende zu etablieren. Die heute geltenden rechtlichen Vorgaben in Bezug auf die werktägliche Arbeitszeit bestehen seit 1994.

Wochenarbeitsstunden sind also nicht in Stein gemeißelt. Das gilt heute genauso wie damals. Es dürfte also kaum verwundern, dass in Zeiten von einer flexiblen Arbeitswelt, Sabbatical und der breiten Akzeptanz von Homeoffice-Arbeit auch der Ruf nach der Vier-Tage-Woche laut wird. Es ist ein vieldiskutiertes Konzept, bei dem Arbeitnehmende bei vollem Gehalt nur noch vier Tage pro Woche arbeiten. Pilotprojekte haben gezeigt, dass einerseits die Gesundheit der Belegschaft davon profitiert und andererseits damit nicht nur dieselbe, sondern mitunter auch gesteigerte Produktivität möglich ist.

Doch wie sieht dieses Arbeitszeitmodell wirklich aus? Wo wird die verkürzte Arbeitswoche bereits eingesetzt? Welche Vor- und Nachteile bietet das Konzept? Und was müssten Unternehmen, Arbeitnehmende sowie der Gesetzgeber bei der Umsetzung beachten? Monster geht diesen Fragen im folgenden Artikel auf den Grund und bietet Ihnen zudem spezielle Recruiting-Lösungen.

Das Konzept der 4-Tage-Woche

Verschiedene Länder der Welt haben sich bereits an der kurzen Arbeitswoche versucht. Einige davon haben es anschließend eingeführt. Welche dies sind und in welcher Form die 4-Tage-Woche umgesetzt wurde, erfahren Sie im folgenden Abschnitt.

Island als Vorreiter der kurzen Arbeitswoche

Besonders berühmt ist die erfolgreiche Einführung der verkürzten Wochenarbeitszeit in Island. Bis zum ersten Pilotprojekt 2015 arbeiten isländische Arbeitnehmer:innen im Schnitt knapp 45 Wochenstunden. Das erste Arbeitszeitexperiment zeigte überragende Erfolge, weswegen es bis Ende 2019 ausgeweitet wurde.

Das positive Ergebnis der ersten Testphase bestätigte sich: Es zeigte sich kein Produktivitätsabfall, sondern vielmehr gleichbleibende Leistung und teilweise sogar eine Steigerung. Gewerkschaftsverbände zogen daraus Konsequenzen und nahmen entsprechende Arbeitszeitverkürzungen in neue Arbeitsrichtlinien auf. Seitdem gilt die Vier-Tage-Woche mit 35 oder 36 Wochenstunden – in manchen Pflegeberufen sogar nur 32 – bei gleichbleibender Bezahlung für rund 86 Prozent der isländischen Erwerbstätigen.

Belgiens Vier-Tage-Woche mit komprimierter Arbeitszeit

Belgien hat sich ebenso an einer Umstrukturierung der Arbeitszeit versucht und diese 2022 offiziell eingeführt. Allerdings geht das Land einen etwas anderen Weg als Island: In Belgiens verkürzter Arbeitswoche bleibt die Wochenarbeitszeit gleich. Das heißt, die dort üblichen 38 Wochenstunden einer Vollzeitstelle bleiben und können vom Arbeitnehmenden innerhalb von vier Arbeitstagen mit jeweils 9,5 Stunden erfüllt werden.

Arbeitnehmende können sich freiwillig dafür entscheiden und müssen dies schriftlich mit ihren Arbeitgebenden für jeweils sechs Monate vereinbaren. Der oder die Arbeitgeber:in hat jedoch das Recht, den Vorschlag abzulehnen, muss dafür aber gute Gründe anbringen. Außerdem sind dabei Überstunden ausgeschlossen, da dies dem Grundprinzip des Konzepts – eine verbesserte Work-Life-Balance – entgegensteht.

Weitere Pilotprojekte und Einführung der 4-Tage-Woche

Auch Spanien, das Vereinigte Königreich, Irland, Schweden, Kanada, die USA, Australien, Neuseeland und die Vereinigten Arabischen Emirate sowie etliche Unternehmen weltweit haben ihrerseits an Pilotprojekten für eine verkürzte Arbeitswoche teilgenommen. Dabei gab es verschiedene Zielsetzungen und teilweise überraschend Ergebnisse.

So war einer der wichtigsten Aspekte in Spanien, die Schaffung von Arbeitsplätzen zu erproben. Wenn mehrere Mitarbeiter:innen einen Tag weniger arbeiten, können manche Firmen auf diese Weise eine weitere Vollzeitstelle schaffen. Zudem würde es junge Berufstätige entlasten, die teilweise Arbeitsverträge mit zehn bis elf Arbeitsstunden pro Tag besitzen. Gleichzeitig würde eine verkürzte Arbeitswoche in dieser Form effektiv rund 20 Prozent mehr Gehalt bedeuten.

In Großbritannien und Nordirland zeigte sich ein drastischer Abfall bei den Krankmeldungen im Vergleich zum Jahr vor dem Pilotprojekt – mit rund 66 Prozent weniger. Zudem entschieden sich die meisten der teilnehmenden Unternehmen, die Testphase zu verlängern. Einige führten die 4-Tage-Woche sogar dauerhaft ein.

Schwedens Testphase war dagegen weniger überzeugend: Die erhöhten Kosten für die Umsetzung der verkürzten Arbeitswoche trafen auf wenig Gegenliebe. Lediglich vereinzelte Unternehmen implementierten das Konzept.

Die Vier-Tage-Woche: Chancen und Kehrseite

Ähnlich wie unbegrenzter Urlaub ist auch eine 4-Tage-Woche ein ambivalentes Konzept. Für Arbeitnehmende ist sie auf den ersten Blick eine reizvolle Option. Und auch Arbeitgebende in diversen Branchen können von dieser verkürzten Arbeitswoche profitieren. Demgegenüber stehen jedoch auch verschiedene Nachteile, und zwar für beide Seiten. Im Folgenden zeigen wir Ihnen die am meisten genannten Argumente für und gegen die 4-Tage-Woche auf.

Vorteile der Vier-Tage-Woche

    • Verbesserung der Work-Life-Balance:
      Drei Tage für das Privatleben zu Verfügung zu haben, ermöglicht Arbeitnehmenden längere Ruhezeiten und damit eine verbesserte Work-Life-Balance. Dies kann sich positiv auf die Gesundheit der Mitarbeiter:innen sowie ihre Arbeitsleistung auswirken.
    • Optimierung von Arbeitsprozessen:
      Arbeitgebende und Arbeitnehmende können aufgrund einer verkürzten Arbeitswoche gemeinsam daran arbeiten, Prozesse zu optimieren, beispielsweise Digitalisierung voranzutreiben, obsolete Arbeitsschritte zu lokalisieren und vermehrt Automatisierung einzusetzen. Dies steigert die Effizienz, sodass Aufgaben auch in vier Tagen erfolgreich erledigt werden können.
    • Attraktiver Anreiz für Jobsuchende:
      Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wird gerade für Berufseinsteiger:innen immer wichtiger. Insofern kann die 4-Tage-Woche als Anstoß zum Bewerben für Jobsuchende sein. Umgekehrt können Unternehmen damit ihr Employer Branding verbessern.
  • Möglichkeiten zur Kostensenkung:
    Bei einer 4-Tage-Woche sind je nach Branche oder Arbeitsumfeld verschiedene Einsparungen möglich, beispielsweise im Hinblick auf den Stromverbrauch und bei Verbrauchsmaterialien.

Nachteile der Vier-Tage-Woche

  • Erhöhtes Stresslevel:
    Geht die Vier-Tage-Woche mit denselben Wochenarbeitsstunden einher, bedeutet dies eine Komprimierung der Arbeit. Dies kann zu erhöhter Arbeitsbelastung führen und damit mehr Stress bedeuten.
  • Leistungsdruck:
    Je nach Ausführung der 4-Tage-Woche kann sie auch den Leistungsdruck für Arbeitnehmende erhöhen, wenn das tägliche Arbeitspensum oder die nötige Produktivität gesteigert werden muss.
  • Teilweise höherer Personalbedarf:
    Je nach Tätigkeit oder Branche ergibt sich aus einer verkürzten Arbeitswoche oder reduzierter Arbeitszeit ein erhöhter Personalbedarf. Dies betrifft vor allem Jobs im Dienstleistungssektor oder bei Schichtarbeit in der Produktion.
  • Steigende Personalkosten:
    Durch den erhöhten Personalbedarf könnten möglicherweise weitere Vollzeitstellen geschaffen werden. Daraus resultieren jedoch insgesamt höhere Lohnnebenkosten für Unternehmen.

Umsetzung der 4-Tage-Woche

Moderne Arbeitszeitmodelle, Homeoffice-Regelungen und die generelle Flexibilisierung von Arbeit finden viel Anklang in der arbeitenden Bevölkerung. Und auch seitens der Unternehmen und in der Politik herrscht Offenheit gegenüber modernen Ansätzen, insbesondere wenn sie dem Fachkräftemangel vieler Branchen entgegenwirken können. In Bezug auf eine Vier-Tage-Woche im deutschen Arbeitsleben stellt sich die Frage, wie sie umgesetzt werden könnte.

Zuerst müssen sich Unternehmen und langfristig auch der Gesetzgeber darüber im Klaren sein, was in Deutschland als verkürzte Arbeitswoche gelten soll. Geht es um die Vier-Tage-Woche nach dem belgischen Modell, bei dem die hier übliche Vierzig-Stunden-Woche auf vier Arbeitstage komprimiert wird? Ohne Anpassung gesetzlicher Vorgaben ist dies nicht ohne Weiteres möglich: Die von den Standardarbeitszeiten abweichende Regelungen im Arbeitszeitgesetz (§7 ArbZG) würden zur Norm werden müssen.

Oder soll es dagegen eine tatsächliche Verkürzung der Arbeitszeit werden, also auf 32 Wochenstunden in vier Arbeitstagen bei gleichbleibendem Gehalt? Bei diesem Ansatz ist zwar keine Gesetzesanpassung notwendig. Allerdings würde sich der Urlaubsanspruch für Arbeitnehmende reduzieren: Nach aktueller Gesetzeslage gäbe es jährlich nur noch 16 Tage Urlaub mit Vier-Tage-Woche als neues Vollzeitmodell.

Darüber hinaus kann nicht jede Branche die 4-Tage-Woche einführen. So müssten beispielsweise Unternehmen mit Schichtdienst oder serieller Produktion auch erhöhten finanziellen und personellen Aufwand betreiben, um die Arbeitswoche verkürzen zu können.

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