Active Sourcing auf Messen

In Zeiten knapper Personalressourcen setzen Firmen verstärkt auf die direkte Ansprache von potenziellen Mitarbeitern. Nirgendwo funktioniert das Prinzip des Active Sourcings besser als auf Fachmessen.

Von Peter Ilg

Mit rund 400 offenen Stellen im Gepäck ist Katrin Scheuenbrand zur weltgrößten Computermesse Cebit nach Hannover gefahren. Scheuenbrand ist Leiterin der Recruiting-Abteilung von Hewlett-Pakard (HP) in Böblingen. Das Unternehmen sucht vor allem Betriebswirte für den Vertrieb und Wirtschaftsinformatiker als Technik-Consultants. Auf der Messe hofft Scheuenbrand fündig zu werden.

Active Sourcing: Direktansprache der Kandidaten

Um genügend High Potentials ans Unternehmen binden zu können, reicht es längst nicht mehr aus, Stellenanzeigen zu schalten und abzuwarten. Unternehmen setzen parallel dazu verstärkt auf Active Sourcing: Die Ansprache und Bindung interessanter Kandidaten bereits vor ihrer möglichen Bewerbung beim eigenen Unternehmen. Ideal dafür sind Job– oder Fachmessen.

Hier kommen Firmenvertreter mit potenziell wechselwilligen Professionals oder frisch gebackenen Hochschulabsolventen direkt in Kontakt und können für sich werben. Insofern verwundert die Aussage von Scheuenbrand nicht: „Selbstverständlich würde ich mich freuen, für möglichst viele unserer vakanten Positionen geeignete Bewerber zu finden.“

Fachkräftemangel hat die ITK-Branche fest im Griff

Allein in der Informations- und Telekommunikationstechnologie (ITK) fehlen mehr als 38.000 Fachkräfte, meldet der Branchenverband Bitkom. Branchenübergreifend erwarten viele Unternehmen im Jahr 2013 ein Drittel der offenen Stellen nur schwer besetzen zu können. Im IT-Sektor liegt diese Quote sogar noch um ein Dreifaches höher. Das belegt die Studie „Recruiting Trends“, die das Karriereportal Monster jährlich in Zusammenarbeit mit dem Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universitäten Bamberg und Frankfurt  veröffentlicht.

Kein Wunder also, dass Unternehmen aufgrund des massiven Fachkräftemangels möglichst nah ran wollen – an die potenziellen Mitarbeiter von morgen. Und Scheuenbrands Erfahrung zeigt, dass sich Unternehmen von der direkten Kontaktanbahnung auf Messen nicht zu viel versprechen. 500 Bewerbungen hat Scheuenbrand allein im vergangenen Jahr ins heimische Böblingen mitgenommen.

Messebesuch – ein voller Erfolg

Burkhard May, Team-Leiter Human Resources bei Enercon in Aurich, sieht das genauso. „Für uns war beispielsweise die Hannover Messe in der Vergangenheit ein voller Erfolg. Wir haben an jedem Tag rund 180 Gespräche mit potenziellen Bewerbern führen können.“ Sein Unternehmen stellt Windenergieanlagen her, hatte während der Messe im vergangenen Jahr 400 offene Stellen anzubieten. Da kamen die 55.800 Fachbesucher gerade recht, die als Ziel ihres Messebesuchs Weiterbildung und berufliche (Neu-)Orientierung angegeben hatten. In den vergangenen beiden Jahren hat das Unternehmen die Präsenz auf Personalmessen daher massiv ausgebaut und will das Engagement weiter erhöhen.

Eine für den Automobilzulieferer Continental wichtige Veranstaltung ist dagegen die Internationale Automobil Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. „Wir sind dort mit einem riesigen Stand vertreten, zeigen all unsere Neuheiten und sprechen auch gezielt potentielle Mitarbeiter an“, sagt Sehnaz Özden, Leiterin Corporate Employer Branding & Recruiting bei Continental in Hannover.

Win-Win-Situation für Besucher und Unternehmen

Für seinen Messeauftritt wählt das Unternehmen jeweils ein Motto – zuletzt ‚Continental – ein attraktiver Arbeitgeber’, zudem wird an jedem Tag ein Schwerpunktthema gewählt, mit dem unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden. Aktuell hat Continental mehrere hundert offene Stellen, vor allem für Ingenieure.

Die IAA bezeichnet Özden als eine Win-Win-Situation für Messebesucher und Unternehmen: „Die Besucher können unsere Produkte bestaunen und wir haben die Chance, uns Automobilinteressierten als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren.“

Recruitingkanäle: Der Mix macht’s

Der Haupt-Recruiting-Kanal für Continental aber ist und bleibt die Karriere-Homepage. Die Social Media-Auftritte seines Unternehmens sieht Özden als ergänzende Kommunikationskanäle zu Stellenanzeigen in Print, Online und den persönlichen Gesprächen auf Messen und Kongresse. „Jeder Bewerber hat andere Vorlieben und sucht den für ihn passenden Einstieg zur Information über uns aus. Daher grenzen sich die Kanäle nicht aus, sondern ergänzen sich.“ Letztendlich entscheidet der Mix über den Recruiting-Erfolg – in diesem Punkt sind sich Özden, Enercon und Scheuenbrand einig. (Bild: Istockphoto)