Marke versus Arbeitgebermarke: Zwei Kehrseiten der gleichen Medaille?

Junger Mann steht zufrieden im Büro.

Marke versus Arbeitgebermarke – zwei Kehrseiten der gleichen Medaille? Nicht zwingend, sagt die Geschäftsführerin des Marktdiagnose-Instituts comrecon°, Charlotte Hager. Ein Interview über die Anziehungskraft und Attraktivitätsfaktoren von Arbeitgebermarken.

Das Interview führte Sonja Dietz

Mit Employer Branding kann die Mehrzahl der Personalverantwortlichen nichts Konkretes anfangen. Das ergab eine gemeinsame Studie von comrecon° mit unseren Kollegen von Monster.at. Wo besteht der größte Nachholbedarf und warum?
Employer Branding wird zumeist mit Personalmarketing verwechselt. Unternehmen haben noch nicht erkannt, dass Employer Branding eine Strategie ist, um auch als Arbeitgeber – intern wie extern – wahrgenommen zu werden und um klare Vorstellungsbilder von dieser hervorzubringen. Unternehmen müssen auch erkennen, dass eine Arbeitgeber-Positionierung mit einem klaren Versprechen das Innen stärkt und nach außen strahlt. Um in den Prozess des Employer Brandings einzutreten, ist es wichtig, dass sich alle Abteilungen, die nach außen wie auch innen hin agieren – Marketing, PR, Vertrieb, HR, Betriebsrat, interne Kommunikation, aber auch die Geschäftsführung – an einem Tisch zusammensetzen und klären, welche Identität man als Arbeitgeber hat. Dies klärt die Soll-Perspektive. Wichtig ist aber auch die Unternehmenskultur zu analysieren, um zu wissen wofür man als Arbeitgeber steht.

Klingt logisch! Die einzelnen Abteilungen müssen sich also stärker vernetzen als bisher?
Ja, richtig. Bisher hat HR immer im Alleingang gearbeitet, Marketing hat sich um die Kommunikation nach außen gekümmert. Man hat bis dato außer Acht gelassen, dass auch Kunden potenzielle Mitarbeiter sein könnten. Wir müssen uns von der Silo-Denke verabschieden und das Große Ganze sehen: Unternehmen agieren auf vielen Kanälen, einer davon ist auch das Stelleninserat und die Ansprache der Bewerber generell. HR as usual wird künftig nicht mehr funktionieren. Das Rollenbild von HR wandelt sich, die Personaler müssen zu Allroundern werden, die sich auch in der Segmentierung und Ansprache von Zielgruppen auskennen müssen.

Arbeitgeber können Ihre Attraktivität durch Semiotisches Recruiting verbessern – wie geht das und was ist Semiotisches Recruiting überhaupt?
Semiotisches Recruiting ist eine Disziplin, die comrecon° gemeinsam mit monster.at anbietet. Dabei geht es darum, dass das Unternehmen die richtige Botschaft – in Wort und Bild – in den richtigen Kanälen transportiert. Dies beinhaltet auch die Erarbeitung der Arbeitgeber-Positionierung und deren Übersetzung in die richtige Botschaft. Wir erstellen ein Briefing, mit dem eine Agentur die erarbeitete Positionierung kreativ übersetzt. Oftmals ist dies die Bruchstelle: zwischen erarbeiteter Arbeitgeber-Positionierung und der Umsetzung durch die Agentur. Dabei prüfen wir auf der Botschafts-Ebene, ob diese korrekt übersetzt wurde, also ob der Aufbau der Botschaft stimmig ist, ob die Bildwelt das Richtige vermittelt und ob das Wording zur Kultur passt. Semiotische Recruiting bedeutet vor allem, den Arbeitgeber mit einem stimmigen und klaren Bild in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Inwiefern prägt die Konsumenten-Marke eines Unternehmens dessen Arbeitgebermarke?
Bekannte Marken, vor allem im Bereich B2C, haben eine starke Strahlkraft der Consumer Brand. Man kennt sie, man nutzt sie, man hat gespeicherte Erfahrungen und damit auch Erwartungen. Wer keine Arbeitgeber-Positionierung erarbeitet hat, strahlt rein nur mit seinem Produkt. Und damit sind die Erwartungen an einen Arbeitgeber die gleichen wie an die Consumer Brand. Das ist oft problematisch und zeigt sich in der Schwierigkeit, die passenden Mitarbeiter zu finden. Umso wichtiger ist es, als Arbeitgeber zu zeigen, wie man sich intern verhält, was Mitarbeiter zu erwarten haben und wofür man steht. Eine Arbeitgeber-Marke muss authentisch, glaubwürdig und ehrlich nach außen auftreten.

Wie wirkt sich die Markenstrahlkraft auf das Verhalten der Bewerber aus?
Bewerber nehmen wahr, was das Unternehmen oder die Marke an Botschaften aussendet. Sind dies reine Botschaften der Consumer Brand, so erwartet man sich zum Beispiel auch die Eigenschaften der Consumer Brand vom Arbeitgeber. So glaubt man, dass man bei Red Bull den coolen, lockeren Job hat oder in der  Nespresso Boutique nur von schönen, netten Menschen und guten Gerüchen umgeben ist und sein Leben genießt. Sowohl beim einen wie beim anderen Beispiel liegen die Wirklichkeiten im Arbeitsalltag und die Anforderungen an Mitarbeiter weit von der Consumer Brand entfernt –
–  man benötigt Menschen die anpacken und andere Werte mitbringen als die Konsumenten.

Was können Unternehmen im nächsten Schritt für die passgenaue Rekrutierung von Kandidaten tun?
Man muss sich als Unternehmen immer fragen: Wie lautet das Versprechen an die einzelnen Zielgruppen, das uns auch von anderen Arbeitgebern am Markt eindeutig unterscheidet? Und: Wer passt zu uns? Wer dies nicht tut, bekommt eine Fülle an Bewerbern, die mit falschen Erwartungen kommen und nicht zum Unternehmen passen. Wichtig ist also, seine Identität als Arbeitgeber zu identifizieren und zu erarbeiten, eine Positionierung zu definieren. Erst, wenn dies klar ist, kann die Arbeitgeber-Marke nach innen hin ausgerollt werden und dann nach außen. Wichtig ist, die Werte des Unternehmens und die Versprechen an Zielgruppen in Wort und Bild in sinnvollen Kanälen/Touchpoints zu transportieren und damit Kandidaten anzusprechen, die sich von dem Versprechen angezogen fühlen und jene unangesprochen lassen, die sich nicht damit identifizieren können.