Rekrutierung 2.0: Wie tickt der Bewerber der Zukunft?
Alles klar bei der Candidate Journey? Karl Krainer, Gründer und Chief Thinker bei Gedankenfabrik (C-Level Consultancy) erläutert, wie Kandidaten heute und in Zukunft suchen. Dabei skizziert er das neue Modell des ‚Educated Decision-Makers‘ und die Herausforderungen und Chancen für die Personalbeschaffung, die sich daraus ergeben. Ein Interview.
Das Interview führte Sonja Dietz
Das Internet hat die Suche nach Stellen erheblich verändert. Um passgenau rekrutieren zu können, sollten Unternehmen wissen, wie der Online-Stellensuchende tickt. Sie haben dazu den Begriff „The Educated Decision Maker“ geprägt. Auf welchen Bewerber-Typ müssen sich Arbeitgeber also Ihrer Meinung nach in Zukunft einstellen?
Wir beobachten momentan einen Wandel des Konsumenten und Nutzers hin zu einem Educated Decision-Maker. Das gilt auch für den Jobsuchenden, der sich zum eigenständigen, anspruchsvollen und wohlinformierten Entscheidungsträger weiterentwickelt. Er nutzt selbstverständlich alle Möglichkeiten des digitalen Zeitalters ohne auf bewährte Quellen wie Freunde und Kollegen zu verzichten. Er ist sich seines Stellenwerts bewusst und damit in vielen Fällen wieder im Driver Seat. Das ist für viele Firmen neu.
Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich daraus für die Personalbeschaffung? Sprich: Wie muss die Ansprache von Kandidaten im WWW optimalerweise gestaltet sein und welche Inhalte sollte sie transportieren?
Der Jobsuchende hat die vielfältigsten Quellen und Informationsmöglichkeiten, die er individuell nutzt. Für die Unternehmen geht es nicht mehr nur um kanalspezifische Einzelfragen, sondern das Verständnis des Recruiting-Eco-Systems als Ganzes. Zahlreiche Elemente – um nur einige zu nennen – wie der Unternehmensauftritt, die Karriereseiten, aber auch die eigene Markenpräsenz, Social Media sowie Arbeitgeber-Reviewseiten wie Kununu spielen in diesem Eco-System zusammen. Der Jobsuchende bildet sich aktiv ein holistisches Bild über das Unternehmen, seine Menschen und die Aufgabenstellung.
Sie sagen, es „menschelt“ immer mehr im Netz und beschreiben eine Markenevolution von der reinen Image-Marke hin zum Human Brand: Firmen öffnen sich, Mitarbeiter zeigen Gesicht in Kampagnen und im Internet und treten mit Konsumenten in Dialog. Was bedeutet dieser Wandel bezüglich einer Arbeitgebermarke. Müssen Firmen hin zum „Human Employer Brand“?
De facto sind ja die meisten Unternehmen eine „Human Employer Brand“. Jetzt geht es darum, dies spürbar zu machen. Der Faktor Mensch wird in vielen Recruitung-Prozessen nur sehr eindimensional betrachtet. Aber es geht doch auch darum, dem Bewerber ein Bild zu vermitteln, ob das Unternehmen, die Menschen und die Firmenkultur zu ihm passen. Diese Denkweise muss in den gesamten Recruiting-Prozesses einfließen. Es ist ein wenig wie das Matching auf Dating-Seiten. Neben den Scores spielen natürlich die weichen Faktoren eine sehr wichtige Rolle – und das auf beiden Seiten.
Welche Weichen müssen also gestellt werden?
Es geht darum, die menschlichen Aspekte der Unternehmensmarke für den Bewerber unmittelbar erlebbar zu machen. Das Grundbedürfnis des menschlichen Kontaktes und der Kommunikation gewinnt gerade in der jetzigen, schnelllebigen Zeit wieder an Bedeutung. Human Employer Brands müssen sich öffnen und Mitarbeitern die Möglichkeit geben, sich zu zeigen und zu äußern und den persönlichen ernstgemeinten Dialog fördern. Nicht jede Firma hat dies in ihrer Unternehmens-DNA.
Beim Personalmanagement geht es ja nicht allein um die Kandidatenansprache. Ist der neue Jobanwärter an Bord, soll er ja auch möglichst lange bleiben. Müssen Unternehmen auch hier einen Denkwandel vollziehen?
Das ist nicht nur eine HR-Frage, sondern eine Frage der Unternehmensführung. Gerade im Hinblick auf den Educated Decision-Maker als Arbeitnehmer. Wer die oben beschriebenen Punkte versteht, erkennt auch die Anforderungen an das Personalmanagement und Führungskräfte. Es ist wie in einer Beziehung. Die nächste Dating-Seite ist nicht weit entfernt.