Modern bewerben und rekrutieren – so geht’s

Kollegen strecken die Arme in die Luft und freuen sich gemeinsam vor Firmengebäude

Wer sich heute bei seinem Traumarbeitgeber bewerben möchte, kann die Ratgeber, die vor ein paar Jahren noch aktuell waren getrost beiseite legen. Denn vieles – wenn nicht das allermeiste – hat sich verändert. Für Bewerber und für Arbeitgeber. Ein Interview mit Nils Bohnes, Geschäftsführer von proAct Consulting.

Das Interview führten Eva Maria Goldmann und Sonja Dietz

Haben Online-Bewerbungen Papierbewerbungsmappen endgültig abgelöst oder sollten Bewerber diese noch parat haben?
Inzwischen sind Online-Bewerbungen der Standard und es ist auch nicht ratsam, im Zeitalter der Online-Kommunikation seine Bewerbungsmappe noch per Post zu schicken. Ausnahmen sind hier nur noch manchmal sehr kleine, oftmals Inhaber geführte Unternehmen.

Was gehört allgemein in eine moderne Online-Bewerbung?
Ganz wichtig und unerlässlich sind ein INDIVIDUELLES AUF DIE POSITION BEZOGENES ANSCHREIBEN, ein vollständiger Lebenslauf sowie Zeugnisse ab dem Schulabschlusszeugnis und relevante Qualifikationsnachweise.Interessant ist auch, wenn der Bewerber noch kurz und knackig eine Seite anfügt unter dem Motto: „Was sie noch über mich wissen sollten“ oder „Meine Qualifikation in eigenen Worten“. Und das ganze bitte als PDF und nie größer als drei MB.

Viele Unternehmen haben eigene Bewerbungsformulare auf ihren Seiten. Bei Bewerbern sind diese absolut nicht beliebt. Kann man die Formulare ignorieren und sich per Mail bewerben?
Auf keinen Fall sollte man diese ignorieren, denn die Unternehmen haben sich dabei ja etwas gedacht, diesen Aufwand in der Online-Kommunikation zu betreiben. Es ist ganz schlecht, wenn das Unternehmen von Anfang an den Eindruck hat, der Bewerber will seine eigenen Wege gehen. Nachfragen per E-Mail sind allerdings immer zulässig.

Worauf müssen Interessenten beim Ausfüllen des Formulars achten?
Auf die Genauigkeit der Angaben. Es geht nicht darum, das Formular möglichst schnell auszufüllen, sondern möglichst genau! Und bitte wirklich alle Fragen beantworten, das ist ebenfalls sehr wichtig.

Wie nötig ist es, ein Profil in Businessnetzwerken wie Xing und LinkedIn zu haben, oder ist heute sogar eine eigene Homepage wichtig?
Eine eigene Homepage hat eine untergeordnete Bedeutung. Noch! XING und LinkedIn sind dagegen Plattformen, die heute schon Standard sind. Zunächst als Plattform für Führungskräfte, dann für Mitarbeiter im kaufmännischen Bereich und heute machen dort auch schon Auszubildende und gewerbliche Mitarbeiter gezielt auf sich aufmerksam. Aber Achtung: bitte immer aktuell halten. Der Aufwand ist ja recht gering und heute schon von jedem mobilen Gerät aus umzusetzen.

Worauf ist noch zu achten?
Auf XING und LinkedIn passt nicht das Party-Foto von Facebook und hier gehört auch nicht rein, was ich alles „geil“ finde. Umgangssprache ist hier nicht angesagt. Es geht hier um eine seriöse, aber dennoch werbewirksame Darstellung meiner Person.

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde, genauso wie Active-Sourcing: Personaler gehen von sich aus auf die Suche nach geeigneten Kandidaten. Können sich Bewerber zurücklehnen und abwarten?
Bewerben ist ein „Geben und Nehmen“, heißt allerdings nicht, dass der eine gibt und der andere nimmt. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer können sich heutzutage zurücklehnen. Den Fachkräftemangel gibt es schon länger, das ist keine neue Entwicklung. Auch wir als Personalberatung müssen heute viel mehr potentielle Kandidaten ansprechen, um zum Erfolg zu kommen, als noch vor drei Jahren. Dennoch gilt es immer wieder positiv auf sich aufmerksam zu machen. „Agieren statt reagieren“ ist das Motto!

Mal andersherum aus Arbeitgeber- bzw Personalersicht gedacht: Inwiefern müssen Arbeitgeber ihren Bewerbungsprozess für die moderne Bewerbung umstellen?
Da gibt es aus unserer Sicht sehr viel Handlungsbedarf, der allerdings oftmals schwer zu vermitteln ist. Viele Unternehmen sehen es immer noch als „Gnade Gottes“ an, dass sich Kandidaten hier bewerben „dürfen“ und vielleicht später für sie arbeiten dürfen.
Es beginnt aber auch schon viel früher. Es gibt immer noch eine Reihe von Grossunternehmen, die es nicht einmal zulassen, dass Stellenausschreibungen über einen Mac von Apple gelesen werden, oder man sich darüber auch bewerben kann. Oder von einem mobilen Gerät wie Smartphone oder Tablet. Die Unternehmen müssen hier schnellstmöglich umdenken!

Die Erwartungshaltung von Bewerbern gegenüber Arbeitgebern ist gestiegen. Was müssen Unternehmen bieten?
Ein gutes Gehalt und eine Altersversorgung reicht schon lange nicht mehr. Der Bewerber erwartet von Anfang an, dass man sich mit ihm auseinandersetzt.

Fragen, die sich ein Arbeitgeber oftmals nicht stellt und noch seltener beantworten kann…

Gibt es jenseits der technischen Dimensionen auch im Umgang mit Bewerbern Dinge, die beachtet werden sollten?
Der sogenannte Knigge für Arbeitgeber: Alles das und nicht weniger, was ich von einem Bewerber erwarte, sollte ich als Arbeitgeber auch leisten können. Angefangen bei Pünktlichkeit, Termintreue bis hin zur Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch.

Welche Fehler sollte im Umgang mit Kandidaten unbedingt vermieden werden?

  1.  Fehlende zeitnahe Rückmeldung zur Bewerbung.
  2.  Kein Feedback zu einem persönlichen Gespräch.
  3.  Sich mit dem Bewerber nicht ausrechend auseinanderzusetzen.

Denn daraus resultiert Frust beim Bewerber und der fördert ein negatives Image des Unternehmens.