Monster Insights Report: Recruiting Tools für den Kampf um Talente

Figuren unter der Lupe

von Christina Pichlmaier

Was wollen Arbeitnehmende? Was erwarten sie von ihrem Arbeitsplatz? Fragt man die Arbeitnehmenden selbst, sind neben der Erfüllung von Grundbedürfnissen auch soziale Verantwortung, Fairness, Lebensqualität und Perspektiven von Bedeutung. Und was davon können Unternehmen bieten? Das hängt von diversen Einflussfaktoren ab.

Der Arbeitsmarkt – wie auch andere Aspekte des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens – befindet sich im stetigen Fluss. Dennoch gibt es Konstanten, die den Verlauf dieses Flusses bestimmen: Besonders prägend sind der Fachkräftemangel, der demografische Wandel und die angespannte Wirtschaftslage. Es sind Faktoren, die seit Jahren eine zentrale Rolle spielen. Und werden dies auch weiterhin tun.

Darüber hinaus spielen zwei weitere Gesichtspunkte eine wichtige Rolle im Personalwesen: Die Abwanderung aus ländlichen Gebieten stellt für viele Unternehmen eine anhaltende Herausforderung dar, die über die des Fachkräftemangels hinaus geht. Demgegenüber steht die Zuwanderung aus dem Ausland. Sie birgt eine große Chance, um den Fachkräftemangel abzufedern.

Die Ziele von Unternehmen und die von Arbeitnehmenden sind vor diesem Hintergrund selten deckungsgleich. Arbeitgebende müssen sich mit Wünschen, Erwartungen und Sorgen von qualifizierten Kandidat:innen sowie bestehendem Personal auseinandersetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig gilt es, bei all diesen Herausforderungen wirtschaftlich zu agieren.

Der Monster Insights HR Report 2024 beleuchtet, wie beide Seiten der Situation auf dem Arbeitsmarkt begegnen. Daraus können Arbeitgebende wertvolle Informationen herausfiltern, um sie als Recruiting-Tools in ihre Personalarbeit einzubinden: Einerseits handelt es sich dabei um Maßnahmen, die in der derzeitigen Wirtschaftslage für Jobsuchende notwendig sind. Andererseits zeigen sich wiederkehrende Aspekte, die zu jeder Zeit solide Bausteine für Recruiting Prozesse darstellen.

Im Folgenden bekommen Sie einen Einblick, wie Arbeitnehmende, Bewerbende und Unternehmen das Arbeitsleben sehen und welche Herausforderungen sich daraus für das Jahr 2024 ergeben. Außerdem soll Sie unser Überblick zu maßgeblichen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt in Ihrer Personalarbeit unterstützen.

1. Anpassung an Veränderungen im Wirtschaftsklima

Die Inflation in Deutschland nahm ab Juli 2021 einen drastischen Verlauf und erreichte Ende 2022 ein Rekordhoch. Und obwohl sich diese Entwicklung seitdem deutlich abgeschwächt hat, sind die Auswirkungen auch 2024 noch spürbar. Steigende Lebenshaltungskosten sind daher für 44 Prozent der Arbeitnehmenden der maßgebliche Faktor für höhere Gehaltsvorstellungen.

Unternehmen müssen entsprechend darauf reagieren und tun dies bereits: Immerhin die Hälfte der befragten Unternehmen planen, Gehälter zu erhöhen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Maßnahme können jedoch nicht alle einsetzen. Rund ein Viertel der befragten Arbeitgebenden im Monster Insights Report sind nur dann in der Lage, höhere Bezahlung zu bieten, wenn sie insgesamt weniger Personal einstellen. Für 34 Prozent ziehen steigende Gehälter deutliche Umsatzeinbußen nach sich.

Bleibt also die Frage, wie Unternehmen dieser Herausforderung praktisch begegnen können. Eine Möglichkeit ist es, auch andere (finanzielle) Anreize in Betracht zu ziehen, die eine ähnliche Funktion erfüllen können – nämlich den Reallohn zu erhöhen. Das kann zum Beispiel geldwerter Vorteil sein wie Fahrtkostenzuschüsse, vermögenswirksame Leistungen, betriebliche Altersvorsorge, gesundheitsfördernde Maßnahmen oder Gewinnbeteiligung. Viele solcher Sachbezüge sind steuerfrei. Sie sorgen zudem unterm Strich für mehr Geld in der Tasche von Arbeitnehmenden oder langfristig für mehr finanzielle Sicherheit.

2. Bedeutung von Soft Skills

Soft Skills (auch Power Skills genannt) wie Verantwortungsbewusstsein, Flexibilität, Lernbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit werden immer wichtiger für den Erfolg im beruflichen Umfeld. Und nicht nur das. Interpersonelle, übertragbare Eigenschaften sind Aspekte, nach denen Unternehmen ausdrücklich suchen. Sie messen ihnen mindestens dieselbe Bedeutung bei wie den fachlichen Qualifikationen. Vor allen Dingen Kommunikationstalent, Teamfähigkeit und Problemlösungskompetenz stehen bei Arbeitgebenden hoch im Kurs.

Damit setzen Arbeitgebende einen deutlichen Trend für Recruiting Prozesse: Kompetenzorientierung. Mehr als ein Drittel der Unternehmen wollen laut Monster Insights 2024 in dem Zug auf fähigkeitsbasierte Bewertungen setzen. Das heißt, praktische Erfahrungen, übertragbare Skills, Lernbereitschaft und schnelle Auffassungsgabe wiegen schwerer als der Studienabschluss – sofern dieser keine explizite Voraussetzung für die Ausübung einer Arbeit ist.

Überprüfen lassen sich solche Skills am besten im persönlichen Gespräch, was laut dem Monster Insights Report nach wie vor die wichtigste Methode für die Bewerberauswahl ist. Insofern sollten Recruiter:innen verstärkt ihren Blick dafür schulen. Der Fokus auf Soft Skills erfordert zudem eine angepasste Vorbereitung der Personaler:innen auf das Gespräch mit Bewerbenden.

3. Einsatz von künstlicher Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch, und zwar auch im Personalwesen. Fast die Hälfte der befragten Arbeitgebenden will KI zukünftig nutzen. Dabei geht es den meisten um:

  • Unterstützung bei Stellenausschreibungen
  • Effizienzsteigerung
  • Verbesserung der Kommunikation
  • Bessere Kandidatenauswahl
  • Höhere Reichweite
  • Bessere Objektivität

Automatisierung der Prozesse ist hier das Stichwort. Und diese führt zum wichtigsten Grund des Einsatzes von KI: Mehr Raum für zwischenmenschliche Kontakte im Recruiting Prozess ermöglichen (36 Prozent).

Und obwohl diese und andere moderne Technologien auf weiten Strecken als sinnvoll und notwendig angesehen wird, so bestehen auch Bedenken. Was die Personalbeschaffung angeht, betrachten 26 Prozent der Unternehmen KI als Herausforderung: Bei Neuerungen müssen sie stets auf dem Laufenden bleiben. Zudem wird die Konkurrenz ebenso KI-Tools einsetzen.

4. Flexibilität und New Work

Die Nachfrage nach flexiblen Arbeitsmodellen wie Remote Work und hybriden Arbeitsplätzen steigt beständig. Diese Entwicklung wurde vor allen Dingen durch die Corona-Pandemie weiter vorangetrieben und beschleunigt. Es haben sich diverse Vorteile dieses Arbeitsmodells herauskristallisiert und somit den Wunsch danach unter Arbeitnehmenden verstärkt.

37 Prozent der Befragten berichten, zuhause produktiver arbeiten zu können. Allerdings sind demgegenüber mehr als ein Drittel aller Arbeitnehmenden nach eigener Aussage in der Firma leistungsfähiger. Dies gilt vor allem für die jüngeren Beschäftigten der Generation Z, von denen fast die Hälfte die Arbeit vor Ort bevorzugt. Ein hybrides Arbeitsmodell sorgt für 29 Prozent der Arbeitnehmenden für die höchste Produktivität.

Die Option auf Homeoffice ist grundsätzlich für jeden sechsten Arbeitnehmenden wichtig. Die Monster Insights Studie hat ergeben, dass sogar 61 Prozent an Jobsuchenden auf eine Bewerbung bei Arbeitgebenden verzichten würden, bei denen drei oder mehr Präsenztage verpflichtend sind. Vor diesem Hintergrund ist überraschend, dass 52 Prozent der Unternehmen auf volle Präsenz setzen. Flexible Arbeitszeiten gehören darüber hinaus zu den Leistungen, die am stärksten zum Wohlbefinden am Arbeitsplatz beitragen, nämlich für 41 Prozent der Befragten.

Diese Aussagen machen eines deutlich: Die Freiheit, die Arbeitszeit selbst einteilen und den Arbeitsort bestimmen zu können (oder zumindest teilweise), ist ein enorm wichtiger Faktor für viele Jobsuchende. Und auch die Abkehr von traditionellen, starren Arbeitsformen honorieren Mitarbeitende und Jobsuchende gleichermaßen.

Dementsprechend können Unternehmen ihre Strategien zur Personalbeschaffung auslegen. Flexible Arbeitsmodelle sind Möglichkeiten, um eine größere Gruppe von Bewerbenden zu erreichen. Diese Flexibilität unterstützt nicht nur die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden, sondern kann auch die Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit steigern.

5. Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion

Ein klares Bekenntnis zu Diversity, Equity & Inklusion (DEI) ist für viele Jobsuchende ein entscheidendes Kriterium bei der Wahl von Arbeitgebenden. Mehr als ein Drittel aller Befragten aus dem Monster Insights Report würde einen Arbeitgebenden nicht in Betracht ziehen, wenn keine entsprechenden Maßnahmen vorhanden sind. Bei Jobsuchenden aus Gen Z sehen es allein 43 Prozent als No Go bei potenziellen Arbeitgebenden an, wenn Anstrengungen in dieser Hinsicht fehlen.

Viele Unternehmen wissen bereits, dass sie von Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion in der Unternehmenskultur profitieren: Vielfältige Teams fördern Kreativität und Innovation. Umgekehrt drücken Arbeitgebende mit solchen Maßnahmen Wertschätzung gegenüber ihren Mitarbeitenden aus, was wiederum positive Effekte auf ihr Employer Branding hat. Insofern ist es sinnvoll, bereits in Stellenausschreibung und im Recruiting Prozess entsprechende Maßnahmen zu kommunizieren und anzuwenden.

6. Fokus auf Mitarbeiterbindung

Vor dem Hintergrund des Arbeits- und Fachkräftemangels und dem damit verbundenen „War for Talent“ kommt der Mitarbeiterbindung ein äußerst hoher Stellenwert zu. Sie kann die Antwort auf eine ganze Reihe von Personalfragen sein. Vor allem kann kluges Retention Management für internen Führungskräftenachwuchs sorgen und Wissensverlust Einhalt gebieten.

Um dies zu erreichen, können Unternehmen an verschiedenen Stellen ansetzen. Dazu gehören:

  • Attraktives Gehalt
  • Flexible Arbeitsmodelle
  • Interne Karrierewege
  • Möglichkeiten zu Fort- und Weiterbildung
  • Wertschätzung und respektvoller Umgang
  • Gelebte Feedbackkultur

Darüber hinaus sollten auch das Arbeitsumfeld, die Unternehmenskultur und die Unternehmenswerte ein Klima erzeugen, in dem vorhandenes Personal langfristig zufrieden ist. Unternehmen können dies Jobsuchenden über eine solide Arbeitgebermarke vermitteln.

7. Wohlbefinden der (zukünftigen) Mitarbeitenden

Aufgrund des sich langsam, aber sicher zuspitzenden Fachkräftemangels ringen Unternehmen um qualifizierte Mitarbeitende. Personalengpässe treten vermehrt auf. Bei 56 Prozent der bestehenden Arbeitnehmenden hat sich dadurch das Arbeitspensum erhöht. Dies führt mehr und mehr zu psychischen und physischen Belastungen: Fast drei Viertel der Befragten im Monster Insights Report – vor allen Dingen Millennials und Arbeitnehmende aus Generation Z – gab an, sich ausgebrannter zu fühlen als noch im Vorjahr.

Kaum verwunderlich also, dass mehr bezahlter Urlaub für jeden fünften Arbeitnehmenden ein großes Thema ist. Aber auch flexible Arbeitszeiten und die Option zum Homeoffice sind Aspekte, die stark zur Entlastung und zum Wohlbefinden beitragen. Unter den Arbeitnehmenden aus der Babyboomer-Generation und der darauffolgenden Generation X steht in dem Zusammenhang die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich hoch im Kurs.

Außerdem können verschiedene Mitarbeiterbenefits zielführend sein. Programme zur Stressbewältigung, Coachings, Meditationsangebote und Zuschüsse zu Mitgliedschaften in Fitnessstudios sind nur einige Beispiele. Das Ziel solcher gesundheitsfördernder Maßnahmen ist, eine gesunde Work-Life-Balance zu ermöglichen und Burnout-Risiken vorzubeugen.

Und was haben Unternehmen davon? Widmen sie diesen Aspekten mehr Aufmerksamkeit oder verfolgen gar Employee Centricity, können sie ihre Arbeitgebermarke deutlich gegenüber der Konkurrenz abheben und auf dem Arbeitsmarkt punkten. Im Idealfall können sie durch den Wettbewerbsvorteil, den diese Maßnahmen mit sich bringen, außerdem die Dauer bis zur Besetzung von Arbeitsstellen verkürzen. Dies nimmt laut 49 Prozent der Unternehmen bis zu drei Monate in Anspruch.

8. Schulung und Weiterbildung

Fort- und Weiterbildungsangebote sind nicht nur ein Instrument für die Mitarbeiterbindung. Die Förderung der beruflichen Entwicklung der Mitarbeitenden durch Schulungs- und Weiterbildungsprogramme dient auch dazu, die Fähigkeiten der Belegschaft zu erweitern und ihre Fachkenntnisse auf dem neuesten Stand zu halten. Dies fördert die interne Mobilität und steigert letztlich ihre Zufriedenheit am Arbeitsplatz.

Schulungen und Weiterbildungen sollten sich idealerweise jedoch nicht nur auf fachliche Qualifikationen beziehen. Besonders auch Soft-Skill-Trainings und die Führungskräfteentwicklung sind Angebote, mit denen Unternehmen in die Zukunft investieren können. Dabei sollten sie individuelle Entwicklungspfade anbieten, die auf die Bedürfnisse und Karriereziele der Mitarbeitenden abgestimmt sind.

Unternehmen haben das Potenzial solcher Angebote erkannt. Im Rahmen der Monster Insights Studie haben 36 Prozent der befragten Arbeitgebenden angegeben, Weiterbildungsmöglichkeiten im Recruiting Prozess gegenüber Kandidat:innen hervorheben zu wollen.

9. Employer Branding

Eine starke Arbeitgebermarke, die die Werte und Kultur des Unternehmens widerspiegelt, ist essenziell, um sich als attraktiver Arbeitsplatz zu positionieren. Dies ist kein Projekt mit Anfang und Ende, sondern eine fortlaufende Aufgabe des Personalmarketings. Anstrengungen, das Employer Branding zu fördern, sollten also durchgängig erfolgen. Das heißt sowohl bei erhöhtem Personalbedarf als auch abseits davon.

Dieser Aufgabe wollen viele Unternehmen (laut Monster Insights: 36 Prozent) künftig besondere Aufmerksamkeit widmen, um Bewerbenden eine bessere Candidate Experience zu bieten. Dafür stehen verschiedenste Mittel und Maßnahmen zur Verfügung, wie beispielsweise

  • Überarbeitung der Karriereseite
  • Einführung von Corporate Influencing
  • Verfolgung einer nachhaltigen Feedbackkultur
  • Kommunikation und Leben der Unternehmenswerte
  • Flexibles, eigenverantwortliches Arbeiten
  • Förderung von Diversität und Inklusion
  • Implementierung von Mitarbeiterbenefits

Wichtig ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder Ansatz für jedes Unternehmen geeignet ist oder immer funktioniert. Maßnahmen zur Aufwertung der Arbeitgebermarke zeigen ihre Wirkung ohnehin wesentlich organischer und glaubwürdiger, wenn sie zur Identität und dem Wesen des Unternehmens passen.

Hintergründe: Fachkräftemangel, demografischem Wandel, Ab- und Zuwanderung

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt entsteht nicht aus dem Nichts. Sie entwickelt sich im Kontext wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und globaler Ereignisse. Einen Teil der Antwort auf die Herausforderungen liefert der Monster Insights Report 2024. Darüber hinaus ist jedoch auch ein Blick auf die Hintergründe hilfreich:

Demografischer Wandel

Das, was spätestens seit den 2000er Jahren als demografischer Wandel in aller Munde ist, bezieht sich vor allen Dingen auf den deutlichen Geburtenrückgang ab den späten 1960er Jahren. Dieser bedingte eine kontinuierliche Veränderung der Altersstruktur. Hinzu kommen medizinische Fortschritte, sodass die Lebenserwartung der Menschen prinzipiell steigt.

Um das Jahr 2005 kehrte sich das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Kindern, Jugendlichen und Menschen über 65 Jahren um: Während zuvor mehr Jüngere als Ältere auf einhundert Erwerbstätige entfielen, liegt die Anzahl an Älteren mittlerweile über der von Jüngeren. Diese Tendenz hält nach wie vor an. So sank die Geburtenrate im November 2023 auf 1,36, was den niedrigsten Wert seit 2009 darstellt.

Diese Faktoren haben eine Entwicklung angestoßen, die sich bis 2035 beschleunigen wird:

a) Rente:

Ab 2030 treten Babyboomer aus geburtenstarken Jahrgängen in die Rente ein. Durch insgesamt weniger Erwerbstätige (oder: Beitragszahler) belastet dies in der Folge das Rentensystem. Wo einst sechs Beitragszahler:innen auf jede:n Rentner:in kamen, stehen 2030 nur noch anderthalb pro Pensionär:in zu Verfügung.

b) Verlust von Know-how:

Unternehmen und Organisationen verlieren wichtiges Wissen und einen immens wertvollen Erfahrungsschatz durch das Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus dem Berufsleben. Trotz aller technologischen Fortschritte stellt solches Fachwissen eine nicht zu unterschätzende Ressource dar, die sich über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut hat.

Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel in Deutschland ist ein Phänomen, das weit vor der Covid-19-Pandemie erkannt wurde und sich in verschiedenen Branchen unterschiedlich manifestiert. Aktuell geben 47 Prozent der Unternehmen im Rahmen des Monster Insights HR Reports 2024 an, nicht ausreichend viele qualifizierte Bewerbende zu finden. In der Folge bleiben Stellen unbesetzt.

Es gibt mehrere Ursachen und Symptome dafür:

  1. Inkompatible Qualifikation

Oftmals passen die Qualifikationen der verfügbaren Arbeitskräfte nicht zu den Anforderungen der offenen Stellen. Dies betrifft insbesondere die sogenannten MINT-Berufe, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

  1. Regionale Disparitäten

In einigen Regionen Deutschlands ist der Fachkräftemangel ausgeprägter als in anderen, teilweise bedingt durch Abwanderung in wirtschaftlich stärkere Gebiete.

  1. Sektorenspezifische Unterschiede

Besonders betroffen von Fachkräftemangel sind das Gesundheitswesen, der IT-Sektor, Handwerk und Bildung.

Bewusste Wahrnehmung des Personalmangels

Der Fachkräftemangel in Deutschland wurde bereits in den frühen 2000er Jahren als wachsendes Problem erkannt, wobei erste spürbare Auswirkungen in einigen Branchen schon vorher bemerkbar waren. Die Bewusstwerdung und die Diskussion um das Problem intensivierten sich jedoch in den letzten Jahren, insbesondere mit dem fortschreitenden demografischen Wandel und der zunehmenden Notwendigkeit der Digitalisierung.

Einige Schlüsselmomente und Entwicklungen, die den Fachkräftemangel in den Vordergrund gerückt haben, umfassen:

  • Mitte bis Ende der 2000er Jahre: In dieser Zeit begann der Personalmangel in bestimmten Sektoren, wie IT, Ingenieurwesen und Gesundheitswesen, offensichtlicher zu werden. Deutschland erlebte ein Wirtschaftswachstum, und die Nachfrage nach spezialisierten Fachkräften stieg, während das Angebot hinterherhinkte.
  • 2010er Jahre: Der Mangel an Fachkräften wurde branchenübergreifend spürbarer und begann, sich auch auf das Handwerk, den Einzelhandel und andere Dienstleistungssektoren auszuweiten. Politische und wirtschaftliche Diskussionen drehten sich zunehmend um die Notwendigkeit, die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zu erleichtern, die berufliche Bildung zu stärken und die Arbeitsmarktintegration von Frauen, älteren Arbeitnehmenden und Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern.
  • 2020er und Covid-19-Pandemie: Die Pandemie hat einige dieser Trends beschleunigt und neue Herausforderungen geschaffen, wie die Notwendigkeit flexibler Arbeitsmodelle und digitaler Kompetenzen. Gleichzeitig hat sie die Bedeutung bestimmter Berufe, insbesondere im Gesundheitswesen und im Einzelhandel, verdeutlicht und die Diskussion um den Fachkräftemangel weiter intensiviert.

Der Fachkräftemangel ist somit ein langfristiges, sich entwickelndes Phänomen, das durch eine Kombination aus demografischen Veränderungen, wirtschaftlichen Entwicklungen und technologischem Fortschritt angetrieben wird. Die grundlegende Problematik ist seit mindestens zwei Jahrzehnten bekannt und hat sich über die Zeit verstärkt.

Binnenwanderung

Die Abwanderung von Arbeitskräften und Fachkräften aus ländlichen Regionen in die Städte und Ballungsgebiete verschärft den Mangel an qualifiziertem Personal in diesen Gebieten erheblich. Diese auch als Braindrain bezeichnete Tendenz entzieht den ländlichen Räumen wertvolle Humanressourcen und erschwert es den dortigen Unternehmen, offene Stellen zu besetzen und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Zu den wichtigsten Ursachen dafür zählen:

  • Bessere Arbeitsmöglichkeiten: In den Städten finden Menschen ein breiteres Spektrum an Jobs mit höheren Löhnen und Karrierechancen.
  • Bildung: Universitäten und Fachhochschulen befinden sich überwiegend in urbanen Zentren, was junge Menschen abwandern lässt.
  • Infrastruktur: Städte bieten eine bessere Infrastruktur mit kürzeren Wegen zu Arbeit, Bildung, Freizeit und Kultur.
  • Lebensqualität: Das vielfältige Angebot an Freizeitgestaltung, Kultur und sozialen Aktivitäten in Städten ist für viele attraktiver.

Die Binnenwanderung führt somit langfristig zur Verlagerung oder gar Schließung von Betrieben, zum Wegfall von Dienstleistungen (z.B. medizinische Versorgung, Schulen und Einzelhandel), zur Überalterung und zu sinkenden Steuereinnahmen.

Zuwanderung

Die Zuwanderung ist ein wichtiger Faktor, um die Wirtschaft und den Personalmarkt in Deutschland zu unterstützen. Dafür hat die Bundesregierung in den 2020er Jahren verschiedene Optionen auf den Weg gebracht: Erleichterte Arbeitsmigration und die Möglichkeit zum „Spurwechsel“ von Asylsuchenden. Obwohl qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland den Fachkräftemangel nicht umkehren können, so gehen von ihnen nichtsdestotrotz entlastende Effekte für den Arbeitsmarkt aus, insbesondere im Gesundheitssektor.

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