Neue Bewerbergruppen erschließen: Vertonte Stellenanzeigen
Barrierefreiheit ist ein großes Thema, wenn es um Gleichbehandlung geht. Nicht nur bei gehbehinderten Menschen. Auch Sehbehinderten stehen in der Arbeitswelt zahlreiche Barrieren im Weg. Bei der Jobsuche etwa: Die meisten Stellenanzeigen sind nur für Menschen zugänglich, die ungehindert lesen können. Mit der vertonten Stellenanzeige werden auch die erreicht, die in ihrer Sehleistung gehandicapt sind. Eine Chance für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sagt Kirsten Müller, Inhaberin von OfficeInterim.
Das Interview führte Sonja Dietz
Ihr Unternehmen vertont und produziert Stellenanzeigen unter anderem als Audiodeskription. Mit letzteem deckt es eine Nische ab, denn auf diese Weise wird der Online-Arbeitsmarkt für Blinde und Sehbehinderte deutlich zugänglicher. Beschreiben Sie die Hintergründe kurz?
Internetauftritt, Stellenanzeigen, Werbespots, Plakate – damit versucht jeder Arbeitgeber möglichst einprägsam an seine Bewerber heranzutreten. Nicht selten jedoch kommt es vor, dass Unternehmen eines der wichtigsten Elemente der Kontaktaufnahme vernachlässigen: das Telefon. Unsere Idee: Warum nicht freie Jobs, Arbeitgeber-Qualitäten oder Themen wie unternehmensinterne Weiterentwicklungsmöglichkeiten als Warteschleifen oder Anrufbeantworteransagen produzieren? Durch die Vertonung von Stellenanzeigen für den Online- und Mobile-Einsatz in Verbindung mit dem Wissen um Corporate Responsibility (CR) und Gleichbehandlung von Bewerbern ergänzen wir das originäre Angebots-Portfolio, wodurch der Online-Arbeitsmarkt für Sehbehinderte Menschen zugänglicher wird.
Sehen Sie sich als Sprecher für eine Minderheit?
Ich verstehe mich ganz pragmatisch als Vermittler, indem ich darauf aufmerksam mache, dass es ungenutztes technisches Potenzial für Arbeitgeber gibt, das mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen verhindert und Diskrimminierungspotential senkt. On Top werden Sehbehinderte und Blinde bei der Jobsuche unterstützt. Arbeitgeber sollten sich hierzu am Puls der Zeit – also auch auf dem aktuell technischen machbaren Stand bewegen.
Aber ist das wirklich neu?
Natürlich gibt es für Sehbehinderte und Blinde viele alternative Lesetools. Aber es geht doch darum, dass jeder selbst in seinem Kompetenzbereich verpflichtet ist, alle ihm anheimgestellten Möglichkeiten und Aufgaben zu bewältigen, um Mitmenschen auf Augenhöhe und gleichberechtigt zu behandeln.
Haben Arbeitgeber das erkannt?
Ja. Denn die Anforderungen an Arbeitgeber sind stark gewachsen. Sie müssen sich heute von Mitbewerbern optimal abgrenzen, um Kandidaten zu erreichen. Dazu gehört mitunter, Stellenanzeigen auf mobilen Endgeräten verfügbar zu machen, deren Diskriminierungspotential zu senken und Gleichbehandlung zu praktizieren. Durch die Vertonung von Stellenanzeigen und Arbeitgeber-Themen erhöhen sich zudem die Verbreitungsmöglichkeiten über mobile Endgeräte, elektrotechnische Anlagen in Gebäuden oder auch Outdoor erheblich.
Wie läuft die Aufnahme einer Stellenanzeige technisch ab?
Wir erhalten den Text und eine Sprecherinnen oder ein Sprecher – das wählt der Kunde – spricht den Anzeigentext. Die Produktionen werden in einem professionellen, schallisolierten und damit reflektionsarmen Raum (Tonstudio) aufgezeichnet, anschließend nachbearbeitet, ähnlich einem Hörbuch. Die Technik ist auf dem höchsten Stand. Im Vorfeld werden mit dem Kunden natürlich spezifische Wünsche wie z.B. Betonung, Einteilung o.ä. besprochen.
Wie lange dauert es, bis die Anzeige verfügbar ist und wo ist sie dann abrufbar?
Da die Online-Veröffentlichung von Stellenanzeigen zeitnah geschehen können muss, können wird nach Rücksprache mit dem ausgewählten Sprecher innerhalb von ca. 48 Stunden liefern. In Einzelfällen kann es jedoch zu Verschiebungen kommen. Doch die Planung und Organisation von Text- und bildbasierten Stellenanzeigen dauert in einem Unternehmen erfahrungsgemäß bis zur Absegnung durch entscheidende Linieninstanzen in der Regel mehrere Tage. Genug Zeit und Luft für uns. Bei guter Planung des Arbeitgebers.
Die entstehende mp3-Datei wird durch den Anzeigen Layouter mittels Link eingebunden. Versendet werden die Dateien entweder per E-mail oder sind über unseren Arbeitgeberbereich downzuloaden. Alternativ können sie gegen Aufpreis auf CD oder Stick per Post versendet werden. Viele TV-Programme zeigen inzwischen im Vorspann, dass die Sendung auch als Audiodeskription verfügbar ist. Auch gibt es Internetseiten, etwa von Ministerien, die ihre Beiträge als Audiodeskription anbieten.