Recruiting von Freelancern – HR ist raus
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Auslöser ist die Digitalisierung, die alle Prozesse schneller macht. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der in vielen Bereichen schon heute für Löcher in der Personaldecke sorgt. Mehr Tempo in der Arbeitswelt und weniger Personal – das könnte künftig für Probleme sorgen. Experten gehen daher davon aus, dass Betriebe bald häufiger auf Freelancer setzen, um fehlende Fachkräfte zu ersetzen. Eine Umfrage belegt jedoch: HR ist bei diesen Personalentscheidungen so gut wie gar nicht involviert. Daraus ergeben sich teils kritische Probleme.
Von Sonja Dietz
Recruiting von Freelancern steigt, weil sich die Arbeitswelt wandelt
Die etablierten Strukturen der Arbeit wandeln sich. Das Digitalzeitalter wird zur Ära des Freelancings. Jedenfalls wenn es nach einer Studie der Deutschen Telekom zusammen mit der Universität St. Gallen geht. Zusammen hat man die Megatrends der Arbeit in der digitalen Welt erforscht.
Heraus kamen erstaunliche Erkenntnisse. Zum Beispiel, dass Arbeit im Digitalzeitalter völlig neu gedacht werden muss. Die für die Erhebung befragten 60 Experten sprechen von einer regelrechten “Auflösung der Organisation”. Ihre These: Arbeitgeber werden immer weniger auf eine hauseigene Workforce setzen. Stattdessen beschäftigen sie verstärkt Freelancer.
Warum Freelancer immer wichtiger werden
Gründe dafür sieht die Studie vor allem in der zunehmenden globalen Vernetzung und der zunehmenden Transparenz von Skills. Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn oder auf Freelancing spezialisierte Portale wie Twago oder GULP machen es schon jetzt möglich, das richtige Expertenprofil per Knopfdruck für einen Job ausfindig zu machen und Kontakt aufzunehmen. Weltweit. Rund um die Uhr. In Echtzeit.
Hinzu kommt der War for Talents, der es nachweislich immer schwieriger macht, Fachkräfte zu finden. Die Studie Recruiting Trends 2018, die das Karriereportal Monster jährlich gemeinsam mit der Universität Bamberg erhebt, zeigt anschaulich, wie sehr sich der Fachkräfteengpass in den letzten Jahren verstärkt hat.
War for Talents verstärkt sich
Seit 2009 kämpfen die Top-1000 Unternehmen mit einer hohen Anzahl an Stellen, die nur schwer zu besetzen sind. Der entsprechende Wert rangiert seit 2009 um die 40 Prozent-Marke. Bei IT-Unternehmen liegt er mit bis zu 50 Prozent noch einmal deutlich höher.
Die Zahl der unmöglich zu besetzenden Stellen steigt derweil kontinuierlich. Waren es im Jahr 2009 noch fünf Prozent der Vakanzen, die nicht besetzbar waren, hat sich der Wert innerhalb von acht Jahren bei den Top-1000-Unternehmen um zwei Prozent erhöht. Bei den IT-Unternehmen liegt der Spitzenwert im Jahr 2017 sogar bei fast 13 Prozent.
Das heißt im Klartext: Im Schnitt ist branchenübergreifend summasummarum jede zehnte Stelle nicht zu besetzen. Nichts liegt da näher, als die Löcher in der Personaldecke vorübergehend oder dauerhaft mit Freelancern auszufüllen.
Auswahl von Freelancern: Worauf es eigentlich ankommt
Dabei geht es immer mehr um hochkarätige Jobs. Umso mehr müsste man bei der Auswahl der passenden Freiberufler sehr genau hinsehen und entsprechende Arbeitsverträge, zum Beispiel mit Verschwiegenheitsklauseln etc., ausarbeiten. Eigentlich wäre das eine klare Angelegenheit für HR.
Eigentlich. Eine Umfrage von GULP, einem führenden Personaldienstleister in den Bereichen IT, Engineering und Finance, zeigt nämlich: Die Personalabteilung ist bei diesem Thema so gut wie raus. Stattdessen suchen die Fachabteilungen oder der Einkauf die Freelancer aus. Die Erhebung ergab: Zwei Drittel der Freiberufler werden über sie beauftragt. Gerade einmal fünf Prozent durch HR. Zur Analyse wurden über einhundert Freiberufler aus den Bereichen IT und Engineering befragt.
Diese Praxis ist nicht optimal, sodass sich zahlreiche Fragen ergeben. Zum Beispiel:
- Ist damit eine reibungslose Zusammenarbeit mit der angestellten Belegschaft möglich?
- Wie sieht es mit den brennenden Themen Scheinselbstständigkeit, Datenschutz und Datensicherheit aus?
Datenschutz, Scheinselbstständigkeit, Datensicherheit: Freelancer schlagen selbst Alarm
Die zu diesen Themen befragten Freelancer geben dazu selbst ein eher beunruhigendes Stimmungsbild ab. Knapp 60 Prozent merken an, dass zum Beispiel das Thema Scheinselbstständigkeit künftig tatsächlich zu einem immer größeren Problem werden könnte. Auch die geltenden Vorgaben des Datenschutzes und der Datensicherheit zu gewährleisten, sehen fast 30 Prozent der Befragten als Herausforderung der Zukunft an.
Was ist die Lösung? Muss der Einkauf zur zweiten Personalabteilung werden, jede Fachabteilung ihren Personaler beschäftigen und fungiert die originäre HR-Abteilung damit in Zukunft einfach nur noch als Zahlenschubser ohne Fachkompetenz?
Quo vadis HR? Fachtagung liefert Antworten
Diesen Fragen widmet sich der Personaldienstleister GULP bei seiner nächsten Fachtagung für den Einkauf von Personaldienstleistungen. Unter der Überschrift „Procurement meets HR“ vom 26. bis 27. September in München wird über die Rollen, Überschneidungen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Personalabteilung und Einkauf beraten und referiert.
Das Event ist für Einkäufer und HR-Spezialisten interessant und bietet Keynotes, Workshops, Best Practice Vorträge und Raum zum Erfahrungsaustausch. So blicken unter anderem Felix Thönnessen, bekannt als Coach bei “Die Höhle des Löwen”, und Zukunftscoach Sven Göth in die Arbeitswelt der Zukunft. Fachanwalt für IT-Recht, Professor Michael Schmidl, berichtet derweil aus erster Hand, wie sich die Vorgaben aus DSGVO und ePrivacy-Verordnung am besten umsetzen lassen.