Rekutierung: Big Data changes the Game

Wir leben in einer Zeit der Umbrüche. Nie war der Druck für Unternehmen so hoch, sich immer wieder neu zu erfinden. Die Digitalisierung treibt das Tempo aller Geschäftsprozesse an und der Mensch muss Schritt halten. Parallel dazu zeichnet sich der Fachkräftemangel in vielen Bereichen immer deutlicher ab. Arbeitgeber suchen händeringend nach High Potentials. All das führt zu einer massiven Arbeitsverdichtung angesichts derer sich viele fragen: Was kommt als nächstes? Gibt es eine Lösung für das Recruiting-Dilemma? Monster-Geschäftsführer Marc Irmisch liefert Antworten.

Das Interview führte Sonja Dietz

Marc, bleiben wir doch gleich bei der Eingangsfrage! What’s next in Recruiting?
Das ist ein mehr als spannendes Thema, dem wir bei unserem nächsten Symposium für Personalverantwortliche nachgehen. Wir beleuchten schon seit Jahren die Zukunftstrends in der Personalbeschaffung – Anhaltspunkte auf wissenschaftlicher Basis liefern uns die Zahlen aus unserer jährlichen Studie Recruiting Trends in Zusammenarbeit mit der Universität Bamberg. Diese wird von Studienleiter Professor Tim Weitzel bei dem Event exklusiv präsentiert. Zum anderen stehen wir in engem Kontakt mit Fachleuten. Zukunftsforschern wie Oliver Leisse oder Digitalisierungsexperten wie Professor Klemens Skibicki etwa. Letzter wird beim Symposium aufzeigen, welche Digitalisierungs-Trends sich für das kommende Jahr abzeichnen. Ich bin schon sehr gespannt.

Das macht neugierig! Gibst Du uns ein paar Einblicke vorab?
Analysten und Arbeitsmarktexperten sind sich einig: Insbesondere der Gesundheitssektor und die Tech-Industrie werden in Deutschland weiter wachsen und erhöhten Fachkräftebedarf anmelden. Die IT-Branche ebenso. Prognosen zufolge ist das aber erst die Spitze des Eisbergs. In den nächsten 15 Jahren schrumpft die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter um acht Millionen auf rund 37,5 Millionen. Im Jahr 2050 werden es – die Zuwanderungsrate von heute nicht eingerechnet – gerade noch 29 Millionen sein, die einer geregelten Arbeit nachgehen. High Potentials sind rar, rarer, am rarsten.

Und daher brennt Recruitern die eine Frage heute am meisten auf der Seele: Wie an die heiß begehrten High Potentials kommen?
Richtig! Der War for Talents ist in vielen Sektoren zur ernstzunehmenden Realität geworden. All das verlangt dringend nach neuen Rekrutierungs-Methoden. Stellenanzeige schalten und warten, das ist vorbei. Das Kapitel des Post and Pray-Recruiting ist geschlossen. Vieles hat sich bereits getan, viele neue Active Sourcing Methoden werden noch auf den Markt kommen. Big Data changes the Game: Intelligente Software hat inzwischen das Potenzial, in den Weiten des World Wide Web nach raren Talenten zu suchen und passgenaue Ergebnisse abzuliefern.

Immer auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen…
Ja, so ist es. Insbesondere IT Talente sind nicht einfach zu finden. Weil sie auf Businessnetzwerken mit Stellenangeboten überhäuft werden, machen sie sich dort extrem rar. Doch es gibt Hilfe. Spezielle Talentsuchmaschinen durchforsten das Web gezielt nach bestimmten Skills und nehmen dafür auch Portale unter die Lupe, die bei einer normalen Google Suche durchs Raster fallen: Github oder Stackoverflow zum Beispiel. Schon mal gehört? Nicht schlimm, falls nicht. Das sind Insider-Communities, in denen sich IT’ler mit einer sehr zugespitzten Expertise tummeln.

Hier hinterlassen sie ihre digitalen Footprints, ihre Spezial-Footprints sozusagen…
Ja, genau. Insgesamt zahlt dieses Tool genauso wie die diversen Tools zur Vereinfachung des Social Recruiting, die es inzwischen gibt, auf die eine entscheidende Entwicklung ein: Arbeitgeber müssen heute kreativ sein, um Talente auf sich aufmerksam zu machen. Sie müssen ausgetretene Pfade der Rekrutierung verlassen und neue für sich entdecken. Dabei unterstützt die Technik inzwischen sehr gut.

Die Technik ist aber nur die eine Komponente im Recruiting, schließlich geht es in der Hauptsache um die Ressource Mensch, oder?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Alle Technik nutzt nichts, wenn die Ansprache der Kandidaten nicht stimmt. Diese eine grundlegende Sache wird nie ändern: Die Verpflichtung dem Kandidaten gegenüber für die bestmögliche Candidate Experience zu sorgen. Das fängt bei einer gut strukturierten Homepage und einer gut ausgestalteten Stellenanzeige an und setzt sich im Direktkontakt fort. Lange Wartezeiten nach einem Bewerbungseingang verzeihen Kandidaten heute nicht mehr so leicht und fassen stattdessen schneller als früher einen anderen Arbeitgeber ins Auge. Sie haben die Wahl. Daher mein dringender Rat an alle Recruiter: Führen Sie Qualitätskontrollen ein. Holen sie sich das Feedback von Bewerbern ein und fassen Sie deren Impulse als Grundstein zur Weiterentwicklung Ihres Recruiting-Prozesses auf. Auch wenn es an der einen oder anderen Stelle schmerzen sollte, es lohnt sich.

Du meinst, in einer Zeit, in der sich Wirtschaftsprozesse nie so schnell drehten wie früher, darf es im Recruiting nicht zum Stillstand kommen?
Auf der Stelle zu treten, ist heute nicht mehr möglich. Es geht darum, die Talente dort anzusprechen, wo sie sich aufhalten. Auch mit Instrumenten wie Social Job Ads können Nutzer Sozialer Medien zum Beispiel gezielt auf vakante Stellen aufmerksam gemacht werden. Ein smarter Algorithmus gleicht Kandidatenprofile mit den gesuchten Skills für eine vakante Stelle ab. Und so finden Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen, die wirklich zueinander passen. Aber auch nur dann, wenn es auf der anderen Seite auch einen Recruiter gibt, der eventuelle Anfragen, die über Facebook gestellt werden, beantwortet. Das ist das „social“ in Social Recruting. Der enge Austausch miteinander in Echtzeit. Das macht Unternehmen nahbar. Werden entsprechende Anfragen ignoriert, wirft das ein denkbar schlechtes Licht auf den Arbeitgeber. Zu der Nutzung der Tools muss die menschliche Komponente hinzu kommen, sonst geht die Strategie nicht auf. (Artikelbild: Fotolia.com)


Marc Irmisch ist Vice President & General Manager Central Europe. Zuvor trug er als Sales Director Germany die Verantwortung für den Bereich Sales der Monster Worldwide Deutschland GmbH.

Der frühere Telefónica Manager verfügt über 18 Jahre Projekt- und Führungserfahrung in zahlreichen bekannten Technologieunternehmen. Marc Irmisch ist studierter Betriebswirt und begann seine Laufbahn 1995 bei Hewlett Packard.

Er wechselte 1998 zu Mircrosoft Deutschland. Dort verantwortete er bis 2010 verschiedene Management-Funktionen im Großkunden-, Mittelstands- und Partnervertrieb und war abschließend für zwölf Länder als Director Distribution Business zuständig. Zuletzt leitete er als Vice President den Bereich Small & Medium Enterprise and SoHo bei Telefónica Germany.