Wenn Personaler googeln

Vier Kollegen sitzen in Konferenzhalle und unterhalten sich

Offiziell würde es niemand zugeben, aber realiter überprüft mehr als die Hälfte der deutschen Personalverantwortlichen Bewerber via Google. Das hat eine repräsentative Umfrage des Branchverbands Bitkom ans Licht gebracht. Rechtlich bewegen sich die HR-Experten damit in einer Grauzone.

Von Tatjana Krieger

Mit dem zunehmenden Einzug von Xing, Facebook und Google+ in den Unternehmensalltag dürfte die Zahl der googelnden Personaler sogar noch steigen. Dem Bewerber mag das nicht immer geheuer sein, dennoch wird er sich kaum dagegen wehren können. Denn der Gesetzgeber bleibt unbestimmt.

Rechtliche Grauzone

“Warum sollte sich ein Personaler öffentlich zur Verfügung stehende Informationen nicht ansehen dürfen?”, so der Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeitsrecht Michael Eckert aus Heidelberg. “Wenn jemand Informationen über sich ins Internet stellt, zum Beispiel auf einer Homepage, dann will er doch, dass das jemand liest.”

Gleiches gilt für Profile in Karrierenetzwerken. Wie aber sieht es mit Facebook aus? Betritt man damit nicht die Privatsphäre seiner Bewerber? Jurist Eckert ist skeptisch: “Berufliches und Privates lässt sich im Internet kaum trennen. Erst recht nicht, seitdem fast alle Unternehmen ihre eigenen Facebook-Seiten haben”, sagt er.

Welche Kriterien dürfen überprüft werden?

Viel wichtiger ist für ihn die Frage, welche Informationen für die eigene Entscheidung herangezogen werden dürfen – die im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz genannten Kriterien, etwa politische und religiöse Überzeugung oder sexuelle Orientierung, jedenfalls nicht.

Praxistest der Universität Hamburg

Dass es in der Praxis anders läuft, zeigte ein verdecktes Experiment der Universität Hamburg: Um zu prüfen, ob HR-Abteilungen Bewerber einer Netzrecherche unterziehen, erfand eine Forschungsgruppe zwei Identitäten mit vergleichbar guter Qualifikation und schickte diese auf Jobsuche. 150 Unternehmen bekamen je zwei Test-Bewerbungen.

Von einem Kandidaten existierte im Internet keine auffällige Spur, dem anderen verpassten die Studenten einen unverwechselbaren Namen und das Profil eines homosexuellen, linksgerichteten Scientology-Anhängers. “Jemand, der das Internet nutzt, musste einfach darauf stoßen”, erklärt Marcel Gröls, der an dem Versuch beteiligt war und heute bei der Hamburger Hochbahn arbeitet.

Neutrale Bewerbungen punkten

Das Ergebnis war eindeutig: Der neutrale Bewerber bekam insgesamt 29,3 Prozent positive Rückmeldungen, bei seinem Konkurrenten waren es nur 17,1 Prozent. Der Schluss liegt nahe, dass sich Personaler online erkundigen und sich dabei von Faktoren beeindrucken lassen, die sie bei ihrer Auswahl nicht berücksichtigen dürfen. “Wir waren vor allem überrascht, dass in einem frühen Stadium des Auswahlprozesses schon so ein Aufwand getrieben wurde”, so Gröls.

Andererseits, so räumt er ein, passe es ins Bild, wenn man den üblichen Gesamtaufwand bei der Personalsuche mit mehrfachen Gesprächsrunden und Assessment Centern betrachte. Der Bewerber erfährt in der Regel ohnehin nicht, warum er aussortiert wurde. “Unternehmen sind nicht verpflichtet, ihre Absage zu begründen”, so Rechtsanwalt Eckert.

Nicht allen Daten aus dem Internet vertrauen

Umgekehrt zeigt das Experiment aber auch: Nicht alle Daten, die das Internet ausspuckt, sind verlässlich. “Netzrecherchen sind in Teilen problematisch, weil sie nur einen Ausschnitt darstellen”, meint Christian Vetter, Mitglied des Präsidiums beim Bundesverband der Personalmanager. “Nicht immer sind die Menschen online unter ihren Klarnamen unterwegs.”

Das heißt, dass sich auch schnell jemand diskreditieren lässt. “Mit ein wenig Internetkompetenz kann man in nur einer Stunde im Internet Spuren auslegen, die dafür sorgen, dass der Konkurrent die Stelle nicht bekommt, für die man sich selbst interessiert”, so Gröls.

Web-Reputation hat Einfluss auf Rekrutierung

Trotzdem gibt es gute Gründe für den kurzen Online-Check: Auf manchen Positionen gerät der Kandidat automatisch in den Fokus der Öffentlichkeit, Führungskräfte gehören dazu,  aber auch Unternehmenssprecher. Eine einwandfreie Web-Reputation wird so schnell zum Einstellungskriterium. Außerdem: Auch Kunden und Geschäftspartner schauen im Netz, mit wem sie es auf der anderen Seite des Verhandlungstischs zu tun haben.

Abseitige Hobbys und Vorlieben stärken kaum die Interessen des Arbeitgebers. Von daher ist die Außendarstellung des eigenen Personals mit weißer Weste im Sinne des Arbeitgebers. Darf der Arbeitgeber verlangen, dass der Bewerber, der als Mitarbeiter dem Unternehmen beitritt, seine Online-Präsenz verbessert oder grenzwertige Einträge löscht? Arbeitsrechtexperte Eckert ist skeptisch “Mehr als ein Appell ist kaum möglich.” Auch Christian Vetter hält davon nichts: “In Einträge ohne beruflichen Bezug sollte man sich nicht einmischen.”

Generationskonflikte programmiert?

Risikoreich könnte der Trend zum Blick durch das Google-Schlüsselloch für junge Leute werden. Diese Digital Natives wachsen mit einem anderen Verständnis von Privatsphäre und Transparenz auf. Offenherzig werden Meinungen, Fotos und Erlebnisse ausgetauscht und veröffentlicht. Für die Deutschnote im nächsten Zeugnis mag das keine Rolle spielen – bei der Bewerbung um den Ausbildungsplatz im übernächsten Jahr schon.

HR-Experte Vetter ist zwar optimistisch. “Wer verantwortungsbewusst ist, geht unabhängig vom Alter vorsichtig mit solchen Dingen um”, sagt er. Trotzdem reift bei vielen Menschen das Verantwortungsbewusstsein erst mit den Jahren heran. Dann sind die peinlichen Details schon in der Welt. Personaler von morgen werden viel zu entdecken haben.