Die Arbeitnehmergeneration der Generation Y

Junge Führungskraft steht im Büro und lächelt.

Gestatten? Das ist Natasha. 23 Jahre alt, Bachelor in BWL. Abschluss mit Höchstnoten. Und auch darüber hinaus nur beste Referenzen: Praktika bei Spitzenfirmen, super Arbeitszeugnisse, ehrenamtliches Engagement on top. Natasha weiß, was sie mitbringt. Gegenüber Arbeitgebern tritt sie dementsprechend selbstbewusst auf. Für die jüngste Bewerbergeneration ist das nichts Ungewöhnliches. Personaler hingegen müssen umdenken. 

Von Sonja Dietz

Natasha hinterfragt alles – das Arbeitsklima, die Arbeitsbedingungen, die Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen. Passt einer dieser Faktoren nicht in ihre Lebensplanung, ist sie es, die einem Unternehmen eine Absage erteilt.  Theoretisch jedenfalls. Natasha gibt es in Wirklichkeit nämlich gar nicht, ihr Lebenslauf ist frei erfunden. Ihre Vorstellungswelt dagegen ist umso realer. Die Dummyfrau vereint die klassischen Eigenschaften ihrer Altersgenossen stellvertretend auf sich: Die der Generation Y.

In ihrem Vortrag „Generation Y – die neue Generation von Arbeitnehmern“ machte Professor Susanne Böhlich beim elften Symposium für Personalverantwortliche anhand Natashas Beispiel geradezu plastisch deutlich, wie er tickt: der Fachkräftenachwuchs, der derzeit auf den Arbeitsmarkt strömt. Eingeladen hatte die Monster Worldwide Deutschland GmbH.

Fachkräftemangel manifestiert sich in fast allen Branchen

In Zeiten des Fachkräftemangels führt an diesen als eigenwillig geltenden Kandidaten kein Weg vorbei. Daran ließ die Dozentin an der Internationalen Hochschule Bad Honnef keinen Zweifel. Tatsächlich erwarten viele Unternehmen im Jahr 2013 ein Drittel der offenen Stellen nur schwer besetzen zu können. Im IT-Sektor liegt diese Quote sogar um ein Dreifaches höher.

Das belegt die Studie „Recruiting Trends“, die das Karriereportal Monster jährlich in Zusammenarbeit mit dem Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universitäten Bamberg und Frankfurt  veröffentlicht.  Aber zurück zur Generation Y und zu Natasha. Worin unterscheiden sich die zwischen 1980 und 1993 Geborenen von früheren Bewerbergenerationen und warum? Auf diese Fragen lieferte Professor Susanne Böhlich Antworten.

Punkt eins: Wahlmöglichkeiten

Natasha hat also die Hürde ins Vorstellungsgespräch genommen und sitzt einem dreiköpfigen Gremium aus Personalverantwortlichen und Führungskräften gegenüber: „Ich habe verschiedene Angebote. Was bieten Sie mir?“, eröffnet sie die Fragerunde nach dem offiziellen Teil.

Das hätten sich Bewerber vor ein paar Jahren nicht getraut. Waren frühere Generationen noch mit hohen Arbeitslosenquoten und Jobmangel konfrontiert, hat sich das Blatt inzwischen gewendet: Fachkräftemangel und Arbeitgeberattraktivität sind die beherrschenden Themen in den meisten Branchen. Nicht der Bewerber wirbt mehr um einen Arbeitsplatz, sondern das Unternehmen um den Kandidaten.

Im Rekrutierungsprozess kommt dem Stichwort „Candidate Experience“ daher eine immer größere Bedeutung zu: Der Jobanwärter sollte sich im Bewerbungsverfahren möglichst wohl fühlen und nicht zu lange auf Rückmeldung warten müssen. Die Atmosphäre im Vorstellungsgespräch sollte angenehm sein und letztlich sollte ein attraktiver Arbeitsplatz auf den Kandidaten warten.

Punkt zwei: Work smart not hard.

Auch im Berufsalltag gelten inzwischen andere Regeln. Überstunden bis zum Abwinken, die schnelle Karriere, das große Geld – diese Kriterien stehen bei den Vertretern der Generation Y nicht im Vordergrund. Höhere Priorität besitzt die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Ein Beispiel: Das hochdotierte Marketing-Projekt steht kurz vor dem Abschluss. Es ist Freitagnachmittag, Montag muss die Präsentation stehen. Ohne Überstunden bis weit nach Mitternacht ist das nicht zu stemmen. Das Team stellt sich auf eine Spätschicht ein. Nur der 27-jährige Janis merkt an, dass er in zwei Stunden gehen müsse: Er wolle die Karten für das heutige Basketballspiel nicht verfallen lassen. „Ich arbeite meinen Part am Wochenende nach“, bietet er an.

Output statt Input messen

„Warum Lebensqualität aufgeben, wenn man den Job an den zwei darauffolgenden freien Tagen umso konzentrierter erledigen kann?“, so Susanne Böhlich.  „Das ist das Prinzip junger Arbeitnehmer: ‚work smart not hard‘. Die klassische Aufteilung von Freizeit und Arbeit wird obsolet.“

Für Unternehmen muss das nicht zum Nachteil sein – vorausgesetzt sie lassen sich darauf ein. Die Schlüsselworte hierfür lauten: Flexible Arbeitsbedingungen und Output statt Input messen. „Es geht nicht um die Präsenz, sondern um das, was rauskommt.“

Die Generation Y lebt nach dem Motto: Ich möchte jetzt leben, wer weiß was die Zukunft bringt?  Für Susanne Böhlich ist das nicht weiter verwunderlich. „Wer in seiner Kindheit den Angriff auf das World Trade Center miterlebt hat, immer wieder Schulmassacker in den Medien mit verfolgen musste, überdies diverse Unternehmensskandale, die Finanzkrise, die Ölpest oder die Kernschmelze von Fukushima hat verinnerlicht: Nichts ist verlässlich, schon morgen kann alles anders sein.“

Punkt drei: Erwartungen an den Job

Personaler oder Vorgesetzte der 23- bis 33-Jährigen wundern sich überdies immer wieder, wie viel Feedback der Fachkräftenachwuchs einfordert. Wenn nicht täglich, so wollen Leute in Natashas Alter doch möglichst wöchentlich eine Rückmeldung. Mindestens genauso wichtig ist der unmittelbare Austausch mit dem Vorgesetzten im Tagesgeschäft. Geschlossene Türen – für die Generation Y ein Unding.

Natasha hat es in ihrer Kindheit  nicht anders gelernt: Die klassische Rollenverteilung im Haushalt gibt es nicht mehr. Beide Eltern verwirklichen sich beruflich selbst, kümmern sich aber auch nahezu gleichberechtigt um den  Nachwuchs. Dieser wird von Geburt an bestmöglich gefördert. Pekip, Babyschwimmen, musikalische Früherziehung. Kinder sollen motiviert, nicht unterdrückt werden.

„Auch das Schlechteste wird gelobt, denn das Kind hat sich bestimmt Mühe gegeben, selbst  wenn es nicht sichtbar ist.“ Professor Susanne Böhlich sagt’s und lacht. Doch was sie hier ein wenig zugespitzt formuliert, bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das spätere Leben: Natasha und ihre Altersgenossen kommen „aus einer familiären Wohlfühlblase“ auf den Arbeitsmarkt und erwarten diesen engen Kontakt nun auch ganz selbstverständlich von ihren Arbeitgebern.

„Zweifellos – die Generation Y ist anspruchsvoll und herausfordernd, aber ich schätze es sehr, mit ihr täglich arbeiten zu dürfen“, so Susanne Böhlich abschließend. „Und sie wird unser Leben prägen. Und das umso positiver, je mehr man sich auf sie einlässt.“